• Milchkuh

Die Milch ist ein besonderes Produkt

Der Preis sinkt deutlich, Bauern geraten in Existenznöte. Die Geschichte politischer Eingriffe in den Markt ist lang.

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Von Hannes Koch

17. Mai. 2016 –

Die Preise für Milch und einige Milchprodukte in den Geschäften sinken stark. Was die Verbraucher freuen mag, ist für viele Milchbauern ein großes Problem. Von den Molkereien erhalten sie teilweise nur noch die Hälfte dessen, was sie zur kostendeckenden Produktion benötigen. Die Bundesregierung diskutiert nun über Hilfen für die Landwirte. Und was können die Verbraucher tun? Unsere Zeitung beantwortet die wichtigsten Fragen.

 

Warum sinkt der Milchpreis?

Dass der Liter Milch in manchen Discount-Ketten nur noch 46 Cent kostet, kommt durch ein Überangebot zustande. Die Landwirte in Deutschland und anderen europäischen Staaten bieten mehr Kuhmilch an, als der Markt zum früheren Preisniveau aufnimmt. Das ist so, weil die frühere Mengenbeschränkung wegfiel. Die Betriebe können nun so viel verkaufen, wie sie wollen. Wegen der Importbeschränkungen nach Russland und der geringeren Nachfrage in China kann zudem weniger exportiert werden.

 

Wer leidet darunter, wer profitiert?

Die Konsumenten haben einen Vorteil, weil ihre Lebenshaltungskosten sinken. Milchprodukte, darunter auch Butter, Sahne und Joghurt, werden günstiger. Das eingesparte Geld steht für andere Zwecke zur Verfügung. Die zweite Seite der Medaille: Viele Milchbauern erhalten von den Molkereien weniger Geld, als die Produktion kostet. Die Höfe erzielen also keine Einnahmen, sondern verbuchen Verluste. Besonders betrifft das kleinere und mittlere Betriebe in den Mittelgebirgen Süddeutschlands, die höhere Kosten haben. Aber auch industrialisierte Unternehmen in Nord- und Ostdeutschland leiden inzwischen. Kostet der Liter Vollmilch im Geschäft 46 Cent, zahlt die Molkerei dem Bauern beispielsweise nur 23 Cent.

 

Wie wurde der Markt früher stabilisiert?

Nach dem Zweiten Weltkrieg stand für die Regierungen im Vordergrund, Hunger zu vermeiden und die Ernährung der Bevölkerung zu sichern. Auch die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG ab 1957) animierte die Bauern möglichst viel zu produzieren. Was die Betriebe nicht auf den Märkten absetzen konnten, wurde staatlich aufgekauft und eingelagert. So füllten sich „Milchseen“ und wuchsen „Butterberge“. Weil schließlich mehr Lebensmittel produziert als benötigt wurden und das System Milliarden verschlang, führte man später eine Mengenbegrenzung ein. Diese Milchquote, die sich die Betriebe teilten, wurde 2015 abgeschafft. Trotzdem existiert auch heute noch ein Mechanismus staatlichen Erwerbs: Wenn der Preis pro Liter Milch, den die Produzenten erhalten, unter 21,5 Cent sinkt, kauft die EU Milchpulver und Butter auf. Dieser Interventionspreis ist allerdings so niedrig, dass sie die Pleite vieler Höfe nicht verhindert dürfte.

 

Was will die Bundesregierung nun unternehmen?

Die Regierung verfolgt wie der Bauernverband das Ziel einer zunehmend rationalisierten, industriellen Landwirtschaft, die ihre Überschüsse zu günstigen Preisen auf den Weltmarkt exportiert. Deshalb lehnt CSU-Landwirtschaftsminister Christian Schmidt die Wiedereinführung einer Produktionsquote ebenso ab wie die Anhebung des Interventionspreises. Stattdessen stellt er ein Subventionsprogramm für notleidende Landwirte in Aussicht, das für Deutschland einen Umfang von bis zu 100 Millionen Euro haben könnte. Außerdem plädiert er dafür, dass Landwirte und Molkereien die Produktion freiwillig beschränken. Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) fordert dagegen Bonuszahlungen für Betriebe, die ihre Milchmenge verringern.

 

Warum soll billige Milch nicht aus der Agrarfabrik kommen?

Konsequente marktwirtschaftliche Politik würde bedeuten, dass man nicht in die Preisbildung auf dem Markt eingreift. Bald gäbe es dann wahrscheinlich nicht mehr 77.000 Milchbauern in Deutschland, sondern nur noch 7.000 Großlandwirte. Doch Milch ist ein besonderes Produkt, mehr noch als andere Nahrungsmittel wie Gemüse oder Fleisch. Milch ist emotional besetzt und mythologisch aufgeladen (Muttermilch, Mutter Erde). In Zeiten des Bio-Trends muss ihre Qualität über alle Zweifel erhaben sein. Kleine Bauernhöfe stellen sie vermeintlich umweltfreundlicher und gesünder her als Agrarfabriken. Die traditionellen Betriebe gelten außerdem als Hüter und Pfleger der Kulturlandschaft. Weiden und Zäune sind Heimat.

 

Was können Verbraucher tun?

Wer Bauern unterstützen will, sollte keine Milch für 46 Cent kaufen, sondern das Doppelte ausgeben. Wer zudem ausschließen möchte, dass sich nur eine Molkerei den Aufpreis in die Tasche steckt, wählt Marken aus, die den Landwirten auskömmliche Preise zahlen und darüber informieren. Auch bei Bioprodukten ist man in der Regel gut beraten, weil die Höfe mehr Geld bekommen. Auf dem Lande besteht außerdem die Möglichkeit, Produkte aus der Direktvermarktung der Erzeuger zu kaufen.

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