Die Möhrchen-Methode

Bahnchef Hartmut Mehdorn hat seine Machtposition eingebüßt

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Von Wolfgang Mulke

06. Feb. 2009 –

Es gibt ein einfaches Führungsprinzip für Bahnchef Hartmut Mehdorn. Wenn der Esel steht, muss man ihm nur ein Möhrchen vor den Kopf halten. Dann trabt das träge Tier schon in die gewünschte Richtung. Das von ihm selbst gern verwendete Bild beschreibt den Stil des Hausherrn in der Konzernzentrale am Potsdamer Platz in Berlin gut. Es gibt immer den, der führt und den, der trabt. Der 66-jährige Vorstandsvorsitzende wähnt sich grundsätzlich in der ersten Kategorie. Dieser Anspruch hat zu den vielen Anfeindungen beigetragen, mit denen Deutschlands derzeit umstrittenster Manager kämpft, gerne kämpft, muss man wohl sagen.

Seit fast zehn Jahren lenkt der gebürtige Berliner die Geschicke des letzten großen Staatskonzerns. Geholt hat ihn damals Kanzler Gerhard Schröder. Vom Typus her sind sich beide ähnlich. Beide poltern gerne, beide dulden niemanden neben sich. Der Unterschied mag sich in der Getränkewahl ausdrücken. Schröder steht auf edlen Rotwein, Mehdorn auf Bier.

Die Bahn sollte die letzte und erfolgreichste Station im Arbeitsleben des studierten Maschinenbauers werden, gekrönt von einem erfolgreichen Börsengang. Dafür brachte Mehdorn den zuvor nahezu unregierbaren Konzern nach bewährter Manier auf Linie. Hier ein Möhrchen für die Beschäftigten, damit sie den Personalabbau mit-, etliche Umstrukturierungen ertragen und schließlich im Zug auch noch Durchsagen auf Englisch wiederholen. Möhrchen gab es auch für Journalisten in Form von jeder Menge Storys mit hohem Unterhaltungswert. Schmackhafte Aussichten hatte Mehdorn auch für die Politiker parat: Einen florierenden Konzern, der dem Steuerzahler nicht mehr auf der Tasche liegt und an der Börse sogar noch Milliarden für den Haushalt einspielt. Die meisten trabten los. Die Methode Möhrchen klappte zeitweilig ganz gut.

Doch die Strategie ist zugleich auch die Ursache für das lausige Image, das der Bahnchef in weiten Teilen der Bevölkerung und vor allem bei den meisten Politikern hat. „Die beste Bahn der Welt“, nennt Mehdorn sein Bundesunternehmen gerne. Bei den auf verspätete Züge wartenden Fahrgästen kommen derlei Superlative nicht gut an, schon gar nicht, wenn Bahnfahren stetig teurer und der Fahrplan ausgedünnt wird.

Ebenso wenig zieht die von Selbstzweifel völlig befreite Masche im Parlament, das immer neue Milliarden zuschießen soll, aber wenn es um Informationen über den Konzern nachsucht, nur schleppend oder halbherzig unterrichtet wird. Auch mit herablassenden Äußerungen über die „so genannten Experten“ im Verkehrsausschuss hat sich der  Manager Feinde gemacht

Die Methode Möhrchen zog, solange die eigentlichen Damen und Herren der Bahn mit dem Abschluss der Bahnreform durch eine Teilprivatisierung etwas von der Bahn wollten. Nun ist dies in weite Ferne gerückt und wird aus Altersgründen kaum mehr mit dem quirligen Mehdorn durchzuführen sein. In der Datenaffäre bricht weder die Kanzlerin noch der Verkehrsminister mehr eine Lanze für den Bahnchef. Nur der für die Parteien im Wahljahr ungünstige Zeitpunkt und der fehlende Nachfolger verhindern eine schnelle Trennung. Sollte die Affäre zu einem Skandal werden, fallen diese Aspekte wohl kaum noch ins Gewicht.

Die Gewerkschaften drehen den Spieß im Moment sogar um und halten nun selbst das Möhrchen in der Hand. Entweder Mehdorn entschuldige sich und kläre alles auf, oder es müsse personelle Konsequenzen geben, heißt es von den Eisenbahnern. Ob jemand, der das Alleinherrschen zum persönlichen Prinzip erklärt hat, diese veränderte Machtkonstellation ertragen kann, wird sich in den nächsten Tagen zeigen.




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