Die neue Sozialpolitik des Wirtschaftsministers

Gabriel genehmigt Kauf der rund 450 Kaiser's Tengelmann-Supermärkte durch Edeka. Chef der Monopolkommission tritt aus Protest zurück.

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Von Hannes Koch

17. Mär. 2016 –

Wir kümmern uns um die einfachen Leute. Diese Botschaft sandte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) am Donnerstag aus, als er per Sondererlaubnis den Kauf der Supermärkte von Kaiser's Tengelmann durch Edeka genehmigte. Der erkältete und hustende Parteichef betonte mehrmals: Hier geht es um die Sicherung der 16.000 Tengelmann-Arbeitsplätze von Verkäuferinnen, Packern oder Metzgern, die niedrige Löhne beziehen – „zwischen 1.500 und knapp über 2.000 Euro brutto pro Monat“.

 

Das Bundeskartellamt hatte die Fusion zuvor untersagt. Argument: Die Marktmacht von Edeka wird sonst zu groß. Auch die Monopolkommission warnte. Deren Vorsitzender, Daniel Zimmer, trat aus Protest kurz nach Gabriels Verkündigung zurück. Seine Begründung: Die Entscheidung „schadet dem Wettbewerb. Überall dort, wo bisher Edeka und Kaiser's Tengelmann in Konkurrenz standen, entfällt dieser Wettbewerb - zum Nachteil der Verbraucher, die künftig mit weniger Auswahl und

höheren Preisen rechnen müssen.“ Zimmer ist Mitglied der FDP und Jura-Professor in Bonn.

 

Über derartige Einwände kann Gabriel sich mit dem Instrument der Ministererlaubnis hinwegsetzen. Damit ist Edeka, Deutschlands größter Konzern des Lebensmittel-Einzelhandels (Umsatz 2014: 52 Milliarden Euro), seinem Ziel nähergekommen, die rund 450 Märkte von Kaiser's Tengelmann zu schlucken. Diese sind unter anderem in Berlin, Nordrhein-Westfalen und Bayern angesiedelt. Karl-Erivan Haub (Obi, Netto, KiK), einer der reichsten Menschen der Welt, macht mit den Tengelmann-Supermärkten Verluste. Deswegen will er sie abstoßen.

 

Allerdings sind nun noch Klagen von Konkurrenzfirmen vor Gericht möglich, beispielsweise durch Rewe. Dieses Unternehmen erklärte kurz nach Gabriels Auftritt: „Wir werden Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf gegen die Ministererlaubnis einreichen.“

 

Gabriel stellte in den Vordergrund, dass er die rund 16.000 Stellen bei Kaiser's Tengelmann und die Rechte der Arbeitnehmer schützen, sowie Kündigungen verhindern wolle. Deswegen hat sein Ministerium die Genehmigung an zahlreiche Bedingungen geknüpft. Hält Edeka diese nicht ein, würde die Übernahme auch rückwirkend hinfällig.

 

Die Geschäfte von Kaiser's Tengelmann müssen fünf Jahre erhalten bleiben. Das gilt ebenso für die Mitbestimmung in den Betriebsräten. Kündigungen von Beschäftigten sind ausgeschlossen. Die Supermärkte dürfen in dieser Zeit auch nicht an selbstständige Kaufleute übertragen werden, die den Arbeitnehmern möglicherweise ein niedrigeres Schutzniveau bieten. Eine Garantie erhalten außerdem die Birkenhof Fleischwerke im bayerischen Donauwörth und brandenburgischen Pervenitz.

 

Nach den fünf Jahren setzt eine weitere Zwei-Jahre-Frist ein. Sollten in dieser Zeit Filialen an Dritte verkauft werden, sichern noch abzuschließende Tarifverträge die Jobs und Rechte der Arbeitnehmer. Etwaigen Ausnahmen müssen die Gewerkschaften Ver.di oder NGG zustimmen. Diese erhalten damit eine starke Stellung. Gabriel beugt so der Kritik der Gewerkschaften vor, die Edeka-Kaufleuten in der Vergangenheit untertarifliche Bezahlung und Überwachung von Mitarbeitern vorgeworfen hatten. „Das ist ein außerordentlich wichtiger Schritt, den wir begrüßen“, erklärte Verdi-Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger.

 

Andererseits gab es auch am Donnerstag viel Kritik an Gabriels Entscheidung. „Was sind 16.000 Arbeitsplätze in einem Land mit 42 Millionen Beschäftigten?“, fragte etwa Jürgen Basedow, der ehemalige Vorsitzende der Monopolkommission. „Die Arbeitsplätze und ihre Tarifbindung stellen keinen Gemeinwohlgrund und jedenfalls keinen ausreichenden Grund dar, der die Verfestigung der Marktmacht des Unternehmens Edeka aufwiegen könnte.“ Basedow weiter: „Es besteht die Gefahr einer zunehmenden Marktmacht von Edeka - bestimmte Produkte kommen dann möglicherweise gar nicht mehr in die Regale. Das wäre ein erheblicher Nachteil für die Kunden.“

 

Die Konzerne Edeka, Rewe, Lidl, Aldi und Metro beherrschen etwa 80 Prozent des Lebensmittel-Einzelhandels in Deutschland. Sie haben großen Einfluss, die Verbraucherpreise zu bestimmen und Lebenshaltungskosten der Privathaushalte anzuheben. Aber auch für Bauern und Nahrungsmittel-Produzenten ist dieses Oligopol ein Problem. Die Einzelhandelskonzerne drücken die Einkaufspreise, so dass Arbeitsbedingungen und Qualität bei den Herstellern leiden.

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