Die Party ist vorbei

Auch wenn es mit der Wirtschaft bald wieder aufwärts gehen sollte, werden die Deutschen an den Folgen der Krise noch lange laborieren.

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Von Wolfgang Mulke

23. Apr. 2009 –

Geht nun der Wohlstand verloren?

Tatsächlich geht die Wirtschaftsleistung in diesem Jahr um rund 150 Milliarden Euro zurück. So befürchten es jedenfalls die führenden Forschungsinstitute. Damit erreicht das Bruttoinlandsprodukt etwa wieder den Stand der ersten Hälfte des Jahrzehnts. Dieser Einbruch ist für sich genommen aber noch kein Wohlstandskiller.

Wann erreicht Deutschland die bisherige Wirtschaftskraft wieder?

Nach den Berechnungen der Forscher, die mit vielen Unsicherheiten versehen sind, erwirtschaftet Deutschland im Jahr 2013 wieder so viel wie 2008. Aber die Folgen aus einer zunehmenden Verschuldung und der steigenden Arbeitslosigkeit werden jeden Bürger stärker belasten, teilweise auch langfristig. Nach Ansicht des Kieler Wirtschaftsforschers Alfred Boss werden sich die Deutschen auf eine längere Durststrecke einstellen müssen.

Wie wirkt sich der Abschwung auf den Arbeitsmarkt aus?

Noch halten die Unternehmen möglichst viele Beschäftigte, in dem sie die Möglichkeit zur Kurzarbeit nutzen. Bleiben die Aufträge jedoch für eine längere Zeit aus, drohen Entlassungen. In diesem Jahr rechnen die Experten mit einem Verlust von einer Million Arbeitsplätzen. Bis Ende 2010 könnten wieder fast fünf Millionen Menschen ohne Job dastehen.

Was kommt auf die Steuerzahler zu?

Momentan vermeidet die Regierung zusätzliche Belastungen der Bürger und steigert über Konjunkturprogramme nochmals die eigenen Ausgaben. So soll die Wirtschaft schneller wieder in Gang kommen. Doch spätestens in zwei oder drei Jahren werden Steuerzahler, Arbeitnehmer und Betriebe mit bitteren Wahrheiten konfrontiert. Wenn die Arbeitslosigkeit zunimmt, droht ein Anstieg der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung. Außerdem steigen die Sozialausgaben. Da zugleich die Steuereinnahmen wegen der Arbeitslosigkeit und der sinkenden Unternehmensgewinne zurückgehhen, geraten Bund, Länder und Gemeinden in Zugzwang. Dazu kommen noch die zusätzlichen Ausgaben zur Ankurbelung der Wirtschaft und vielleicht auch die für den Bankenrettungsschirm. In den nächsten fünf Jahren könnten sich die Steuerausfälle im Vergleich zur bisherigen Planung auf mehr als 200 Milliarden Euro auftürmen. Um Steuererhöhungen wird der Staat also auf lange Sicht nicht herumkommen.

Muss die öffentliche Hand bald wieder sparen?

Auch dies ist angesichts bald leerer Kassen unvermeidlich. Nach Einschätzung von Fachleuten müssen sich die Beschäftigten im öffentlichen Dienst auf Nullrunden einstellen. Die Ämter haben auch die Möglichkeit, ausscheidendes Personal nicht wieder zu ersetzen. Dazu könnten Investitionen gekürzt und Gebühren erhöht werden.

Sind die Renten oder das Gesundheitssystem in Gefahr, weil dem Staat das Geld ausgeht?

Die Rentner bekommen am 1. Juli noch einmal eine kräftige Anhebung ihrer Ruhegelder. 2010 und möglicherweise auch 2011 drohen sogar Rentenkürzungen aufgrund der steigenden Arbeitslosigkeit. Bislang hat der Gesetzgeber dies nicht zugelassen und notfalls per Gesetz wenigstens für eine Nullrunde gesorgt. Das muss die im Herbst antretende neue Bundesregierung entscheiden. Teurer wird für viele Bürger wahrscheinlich auch das Gesundheitssystem. Im kommenden Jahr werden Krankenkassen, die mit ihren Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds nicht hinkommen, einen Zusatzbeitrag erheben. Außerdem erwartet Forscher Boss, dass mittelfristig der Beitragssatz zur Krankenkasse angehoben werden muss.

Hat die soziale Marktwirtschaft ausgedient?

Das Gegenteil ist der Fall. Gerade in der Krise zeigen sich die Stärken der für Deutschland typischen sozialen Marktwirtschaft. Die stark ausgebauten öffentlichen Versorgungssysteme sichern den heutigen Rentnern stabile Einkommen. Die Arbeitslosigkeit steigt durch staatliche Hilfen bei weitem nicht so stark an wie etwa in den USA. Zudem sind in den Sozialsystemen viele Erwerbstätige beschäftigt. Das wirkt zusätzlich stabilisierend. Andere Industrienationen kämpfen derzeit mit weitaus heftigeren Folgen des weltweiten Erdbebens. Vieles deutet auch daraufhin, dass die Reichen bei der Bewältigung der Folgen bald deutlich stärker in die Pflicht genommen werden als der Rest der Bevölkerung.

Gibt es irgendwo auch gute Nachrichten?

Es gibt durchaus Anlass zur Zuversicht. Nach Ansicht der führenden Forscher liegt der größte Erdrutsch in der Wirtschaft nun hinter uns. In vielen Branchen macht sich die Krise nur geringfügig bemerkbar und selbst der Bankensektor stabilisiert sich langsam. Dazu werden auch die staatlichen Hilfsprogramme ihre Wirkung noch entfalten. Manche Experten haben sogar die Hoffnung, dass sich der Abwärtstrend schon im Herbst wieder umkehrt. Doch selbst dann werden die Folgen der Krise noch lange Zeit spürbar bleiben.

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