Die Reform der Hartz-Reform hat begonnen

Regierung und Opposition machen Vorschläge – ein Überblick. Diskussion über höhere Leistungen für Kinder. Jeder dritte Einwand gegen Bescheide war 2009 erfolgreich

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Von Hannes Koch

11. Jan. 2010 –

267.000 sachlich falsche Hartz-IV-Bescheide hätten die Jobcenter in den ersten elf Monaten des Jahres 2009 verschickt, ergaben Recherchen des ARD-Magazins Monitor. Bei rund einem Drittel der in diesem Zeitraum gestellten Anträge gaben die Berater den Einwänden nach und dehnten die Leistungen aus. Heinrich Alt, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit, räumte ein, dass viele Sachbearbeiter unzureichend qualifiziert seien.


Die Fehler liegen aber auch im Gesetz selbst begründet: Viele Menschen fühlen sich ungerecht behandelt. Deshalb läuft die Debatte über eine Reform von Hartz IV fünf Jahre nach ihrer Einführung auf vollen Touren. Politiker sowohl des Regierungslagers, darunter Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen und NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, als auch der Opposition plädieren für Verbesserungen im Sinne der Betroffenen. Unsere Zeitungen sortiert die Vorschläge.


Leistungen für Kinder

„Die Agenda 2010 ist vorbei“, erklärte von der Leyen soeben – ein Seitenhieb auf Ex-Kanzler Schröder und sein damaliges Reformprogramm. „Wir müssen genauer hinschauen“, fügte die CDU-Ministerin hinzu. Dazu wird sie in wenigen Wochen Gelegenheit haben. Das Bundesverfassungsgericht wird dann vermutlich die Berechnungsverfahren für die Kinder-Unterstützung in Frage stellen. Heute erhalten Kinder von Hartz-IV-Empfängern maximal 251 Euro, Jugendliche ab 14 Jahre 287 Euro Regelsatz. Nach Einschätzung der Sozialverbände reichen diese Summen nicht einmal für das Notwendigste, geschweige denn für Schulbücher und Schreibhefte. Ob die Regierung mit der Änderung des Berechnungsverfahrens aber auch die Kinderleistung anhebt, ist fraglich. Schließlich fehlen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble schon jetzt mindestens zehn Milliarden Euro im Haushalt für 2011.


Alleinerziehende

Auch Alleinerziehende sollen „bessere Leistungen erhalten“, forderten Rüttgers (CDU) und SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil. Arbeitsministerin von der Leyen betont, dass die Jobcenter alleinerziehende Eltern, besonders Frauen, besser mit Kinderbetreuung und anderen Angeboten unterstützen müssten.


Arbeitslosengeld I

Von der Leyen hält es für nicht fair, dass die meisten Erwerbslosen nach einem Jahr von Arbeitslosengeld I auf Hartz-IV-Niveau herabgestuft werden. Auch manche in der SPD sehen darin eine Verletzung des Leistungsprinzips: Wer 20 Jahre gearbeitet habe, solle länger das höhere Arbeitslosengeld bekommen als jemand, der vielleicht nur zwei Jahre Lohn erhielt. In diesem Sinne fordert nun die Hessen-SPD einen neuen „Anerkennungsbonus“ - einen Aufschlag auf Hartz IV in Abhängigkeit von der vorhergehenden Dauer der Erwerbstätigkeit.


Hinzuverdienst

Unter anderem Rüttgers will, dass Bezieher von Arbeitslosengeld II mehr selbst verdientes Geld behalten können. Heute wird der Niedriglohn größtenteils mit der Hartz-IV-Leistung verrechnet. Bei ihrer Kabinettsklausur in Meseberg Mitte November 2009 beschloss die neue Regierung, eine Kommission einzusetzen, die dieses Problem lösen soll. Passiert ist bisher nichts.


Verwaltung

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die bisherige Zusammenarbeit von Bundesagentur für Arbeit und Kommunen verfassungswidrig sei. Für die sogenannten „Argen“ muss die Regierung nun eine neue rechtliche Basis schaffen. Von der Leyens Vorschlag: Das Bundesministerium arbeitet einen Mustervertrag aus, den die jeweilige Stadt und die Bundesagentur mit leichten Änderungen abschließen würden. Die bisherige Betreuung „aus einer Hand“ könnte dann so weiterlaufen wie bisher.

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