Die schleichende Verarmung der Alten

Immer mehr Rentner landen in der Grundsicherung

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Von Wolfgang Mulke

22. Okt. 2013 –

 

Immer mehr Rentner landen in der Grundsicherung. Besonders betroffen sind Frauen in Westdeutschland.

 

 

Das sind die wichtigsten Fragen und Antworten dazu.

 

 

Ist Altersarmut ein großes Problem in Deutschland?

 

Bislang war der Anteil der sehr armen Rentner vergleichsweise gering. Darunter verstehen Fachleute jene Senioren, deren Einkommen unterhalb der Grundsicherung liegt, die je nach Wohnkosten wie bei Langzeitzeitarbeitslosen bei etwa 680 Euro im Monat liegt. Ende 2012 stockten nach Angaben des Statistischen Bundesamts 435.000 Rentner ihre Alterseinkünfte durch die Grundsicherung auf. Angesichts von rund 20 Millionen Rentner insgesamt ist der Anteil der Armen gering. Allerdings hat er sich seit Einführung der Grundsicherung vor neun Jahren bereits um 80 Prozent erhöht.

 

Warum sind Frauen besonders betroffen?

 

Allein im vergangenen Jahr wuchs die Zahl der armen Rentner um 6,6 Prozent an. Besonders stark schoss die Bedürftigkeit bei Frauen in Westdeutschland in die Höhe. Mittlerweile erhalten 33 von 1000 Frauen über 65 Jahre diese Sozialleistung. Bei den Männer ist es nur jeder vierzigste. Im Osten ist der Anteil bei beiden Geschlechtern deutlich geringer. Frauen im Westen haben in der Regel keine großen Rentenansprüche erworben. So erhält jede zweite Witwe weniger als 600 Euro im Monat. 28 Prozent der Rentnerinnen erhalten aus eigenen Anwartschaften weniger als diesen Betrag. Bei Männern ist es nur jeder zwölfte. Grund sind meist berufliche Auszeiten der Frauen für die Familie oder lange Teilzeittätigkeiten.

 

In welchen Regionen ist die Armut am weitesten verbreitet?

 

Spitzenreiter bei der Altersarmut ist Hamburg. In der Hansestadt müssen 62 von 1.000 Rentner vom Sozialamt bezuschusst werden. In Bremen mit 55 und Berlin mit 53 ist der Anteil ebenfalls sehr hoch. In Sachsen und Thüringen sind es mit zehn pro 1.000 am wenigsten.

 

Kann man von einem Trend zur Altersarmut sprechen?

 

Ulrich Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband sieht in der Entwicklung der letzten Jahre nur den Anfang des Problems. „Das ist ein Vorbote“, warnt er, „ab Mitte des nächsten Jahrzehnts rollt eine Lawine von Altersarmut auf uns zu.“ Die Marke von einer Million Betroffenen werde sicher übertroffen. Dafür gibt es mehrere Gründe. Vor allem Langzeitarbeitslose oder Erwerbstätige, die häufiger mal aussetzen mussten, können nicht mehr ausreichend hohe Rentenansprüche erwerben. Dazu kommen die zum Teil geringen Verdienste vieler Arbeitnehmer. Rund sieben Millionen Niedriglöhner gibt es zum Beispiel derzeit. Die Deutsche Rentenversicherung sieht in Altersarmut noch kein Massenphänomen. In welchem Ausmaß sie zunehme, sei momentan nicht abzuschätzen, sagt ein Sprecher.

 

Lässt sich Altersarmut vermeiden?

 

Laut Schneider kann das Problem mit einigen Reformen deutlich abgemildert werden. Er fordert Veränderungen bei der Grundsicherung. So müsse der Regelsatz dort von aktuell 382 Euro auf 440 Euro angehoben werden. Dazu kommen dann die Wohnkosten. Außerdem müsse es Freibeträge für weitere Einkünfte oder Vermögen geben. Denn im Gegensatz zu den Hartz-IV-Empfängern werde bei der Grundsicherung alles angerechnet. Schließlich müssten die Betroffenen Rentner alle Leistungen aus einer Hand erhalten. Das könne die Rentenversicherung übernehmen. „Das wird den alten Menschen gerecht“, glaubt Schneider.

 

Gibt es schon Pläne für Reformen bei den beiden Koalitionsparteien?

 

Sowohl die Union als auch die SPD wollen eine Art Mindestrente für langjährig Beschäftigte einführen. Zuletzt wurde meist ein Betrag von 850 Euro dafür genannt. Doch der Plan hat gewaltige Haken und würde nach Einschätzung von Kritikern wenig zur Vermeidung von Altersarmut beitragen. Allerdings ist dies eine Frage der Gestaltung. Für einen Erfolg müssten beispielsweise regionale Unterschiede bei den Wohnkosten berücksichtigt werden. Auch ein jährlicher Anstieg um die Teuerungsrate wäre notwendig. Sie hilft aber vor allem deshalb kaum, weil immer weniger Versicherte auf die geforderten Beitragszeiten kommen.

 

Was kann jeder selbst dazu beitragen?

 

Das Rentenniveau sinkt nach und nach ab. Davon ist jeder Arbeitnehmer betroffen. Deshalb ist eine zusätzliche Vorsorge in vielen Fällen unverzichtbar, auch wenn das Einkommen nur knapp bemessen ist. Die Riester-Rente hilft bei allen Schwächen schon, um mit kleinen Sparbeiträgen die spätere Rente aufzubessern. Dafür sorgt die staatliche Förderung. Und je früher man damit anfängt, desto mehr kommt am Ende dabei heraus. Auch Angebote zur betrieblichen Altersvorsorge helfen, ein späteres Armutseinkommen zu vermeiden.

 

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