Die schwierige Suche nach einer generationengerechten Rente

Bundesregierung benennt die Kommission, die Lösungen für eine langfristige Alterssicherung finden soll. Für die Babyboomer sind die Ergebnisse existenziell.

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Von Wolfgang Mulke

04. Mai. 2018 –

Elf Freunde finden sich in einer Fußballmannschaft selten. In einer gleich großen Regierungskommission erst recht nicht. So werden auch in der nun benannten Rentenkommission der Bundesregierung die Meinungen in den kommenden zwei Jahren heftig aufeinanderprallen. Ähnlich dem Fußball spielen strategische und taktische Überlegungen dabei eine große Rolle. Denn die Aufgabe der Expertenrunde hat es in sich. Sie soll Vorschläge für die Gestaltung des Rentensystems ab dem Jahr 2025 entwickeln. Danach scheiden mit den Babyboomern die geburtenstarken Jahrgänge aus dem Berufsleben aus und immer weniger junge Menschen müssen immer mehr ältere finanzieren. Die Fachleute sollen die „Enkeltauglichkeit“ des Systems sicherstellen, wie es Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) nennt.

Nun stellte der Minister das Gremium vor. Den Vorsitz teilen sich die erfahrenen Sozialpolitiker Karl Schiewerling (CDU) und Gabriele Lösekrug-Möller (SPD). Dazu kommen weitere Politiker, Vertreter von Arbeitgebern, Gewerkschaften und drei Wissenschaftler. Axel Börsch-Supan vom Max-Planck-Institut, die Soziologin Simone Scherger von der Uni Bremen und Gert Wagner vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Bis zum März 2020 sollen sie eine Reform der Alterssicherung erarbeiten. „Die Aufgabe ist es, Armut im Alter zu vermeiden“, sagt Heil, „wir reden von einer richtig schweren Aufgabe.“

Denn ein erträgliches Rentenniveau mit gleichzeitig leistbaren Beiträgen für die jüngere Generation ist nur bis Mitte des nächsten Jahrzehnts gesichert. Die Bundesregierung will per Gesetz festlegen, dass die Renten nicht unter einen Wert von 48 Prozent des letztes Einkommens sinken dürfen und die Beiträge nicht über 20 Prozent des Lohnes steigen. Schon dies sorgt 2025 nach Berechnungen Börsch-Supans für eine Finanzierungslücke von elf Milliarden Euro, die sich ohne Reform in den folgenden Jahren dramatisch vergrößern würde.

Zunächst muss sich die Kommission auf eine Prognose der wichtigsten Faktoren bei den Einnahmen der Rentenkasse verständigen. Dazu zählen vor allem die Beschäftigtenzahl und die Entwicklung von Löhnen und Gehältern. Aus dem Ergebnis lässt sich der finanzielle Bedarf der Alterssicherung ermitteln. Schon allein diese Prognosen sind mit mehr Unsicherheiten verbunden als früher. Denn wie sich die Digitalisierung der Wirtschaft auf die Einkommen und die Zahl der Arbeitsplätze auswirken wird, weiß noch niemand.

Der zweite Schritt wird die Konflikte zwischen den Interessengruppen ans Licht bringen. Denn jede Maßnahme kennt Gewinner und Verlierer. So fordert die IG Metall schon jetzt steigende Renten und will die Lasten zwischen Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Steuerzahlern aufteilen. Die wirtschaftsnahe Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft bringt dagegen eine längere Lebensarbeitszeit ins Spiel.

Damit sind fast alle Stellschrauben schon benannt. Die Bundesregierung kann das Rentenniveau verändern, die Beitragssätze für die Rentenversicherung, mehr Steuern ins System pumpen oder das Rentenalter erhöhen. Dazu kommt noch die Möglichkeit, durch mehr Qualifikationsangebote für Arbeitnehmer und eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen die Einnahmen der Rentenkasse zu erhöhen. Um die richtige Mischung des Instrumentenkastens wird in der Kommission nun hart gerungen.

Ob die Vorschläge der Experten dann auch schnell umgesetzt werden, ist auch noch offen. „Wir sollten die Weichen dann auch stellen“, sagt Heil. Doch 2021 ist bereits die nächste Bundestagswahl. Mit einer schlechteren Alterversorgung oder steigenden Abgaben für alle Arbeitnehmer lassen sich schwer Wähler gewinnen. Der Anreiz, die fälligen Taten auf einen späteren Zeitpunkt zu verlegen, ist daher groß.

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