Die Steuern sind nicht zu hoch

Kommentar zu Schäubles Steuerpolitik von Hannes Koch

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Von Hannes Koch

23. Mai. 2016 –

Deutschland geht es gut – aber dieser Zustand dauert nicht ewig. In ein paar Jahren wird die nächste Wirtschaftskrise zuschlagen, dem permanenten Auf und Ab der Marktwirtschaft gehorchend. Dann wird das Land jeden Euro brauchen. Deshalb liegt Wolfgang Schäuble mit seinem Vorschlag, die Steuern zu senken, daneben.

 

Wobei der CDU-Finanzminister im Konjunktiv spricht. Es geht ihm nicht um jetzt, sondern um die Zeit nach der nächsten Bundestagswahl ab 2017. Die Idee, die Einkommensteuer und Sozialabgaben für Millionen Haushalte zu reduzieren, ist Teil des Aufgalopps für den Wahlkampf. Schäuble positioniert die Union in Abgrenzung zu SPD, Grünen und Linken, die vermutlich mit verschiedenen Vorhaben für Steuererhöhungen ins Rennen gehen. Auch dem Erstarken der FDP und AfD will der Finanzminister vorbeugen. Von dort kommen Forderungen, dem vermeintlich übergriffigen Staat Fesseln anzulegen.

 

Diese Geschichte vom gierigen deutschen Staat ist freilich eine Horrorstory, die die Wirklichkeit verzerrt. Die Staatsquote Deutschlands, der Anteil der öffentlichen Ausgaben im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung, lag 2014 bei 44 Prozent, zehn Prozent niedriger als Mitte der 1990er Jahre. Die Regierungen und Verwaltungen sind sparsamer geworden, nicht verschwenderischer.

 

Die Steuer- und Abgabenquote beträgt rund 39 Prozent. Ungefähr diesen Teil ihrer Einkommen liefern die Bürger durchschnittlich bei den Finanzämtern und Sozialversicherungen ab. Das mag man für viel halten. Angemessen hingegen erscheint der Beitrag, wenn man bedenkt, was die Bevölkerung dafür bekommt. Frieden, weitgehende Sicherheit vor Terror, quasi null Korruption, solide öffentliche Dienstleistungen (wenn man von Verspätungen des ICE absieht) und eine im internationalen Vergleich erstaunliche Lebensqualität.

 

Besser als die Einkommensteuer und Sozialabgaben heute zu senken wäre es deshalb, mit den gegenwärtig sprudelnden Einnahmen Zukunftsinvestitionen finanzieren. Beim Bau von Wohnungen, Datenleitungen, Bahnlinien, Straßen, Schulen und Kindertagesstätten sind Milliarden Euro willkommen. Wenn wir heute vorsorgen, wird die künftige Wirtschaftskrise milder ausfallen. Denn der Staat und die Beschäftigten sind dann besser vorbereitet.

 

Und ist die Krise erst da, wird der Staat sowieso wieder Haushaltsdefizite verzeichnen. Heutige Steuersenkungen würden diese noch vergrößern. Es besteht die Gefahr, dass die Verschuldung wieder stark ansteigt. Diese selbstverschuldete Bredouille kann vermeiden kann, wer heute auf eine kurzatmige Steuerpolitik verzichtet.

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