„Diesel nachrüsten statt aussperren!“

In dieser Woche wird der Abschlussbericht des Abgas-Untersuchungsausschusses des Bundestags veröffentlicht

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Von Wolfgang Mulke

26. Jun. 2017 –

Koalition und Opposition kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Erstere sieht keine Versäumnisse der Regierung, letztere ein Staatsversagen, wie der Fraktionsvize der Grünen, Oliver Krischer, im Interview erläutert.

Frage: In der Bundesregierung und den Behörden will niemand Fehler eingestehen, die den Dieselskandel möglich machten. War der Ausschuss nicht nutzlos?

Oliver Krischer: Das war er gewiss nicht. Wir konnten nachweisen, dass bei VW und eigentlich allen Herstellern nicht ein paar Ingenieure nachts heimlich Software manipuliert haben, sondern System dahinter stand. Festgestellt wurde auch, dass die Bundesregierung wenigstens zehn Jahre Kenntnis davon hatte, dass die realen Emissionen der Dieselfahrzeuge die Grenzwerte deutlich überschreiten. Das wurde aber systematisch und absichtlich ignoriert. Und wir wissen nun, dass die Autoindustrie aktiv Gesetze mitschreibt, die sie betreffen. Zusammengefasst ergibt dies ein organisiertes Staatsversagen.

Frage: Wer hat in Deutschland das Sagen, Politik oder Wirtschaft?

Krischer: Die Bundesregierung hat ein falsch verstandenes Schutzinteresse gegenüber der Wirtschaft. Sie ignoriert Standards und Gesetze zugunsten der Industrie. Langfristig schadet sie den Unternehmen mehr als dass es ihnen nützt, weil sie damit international nicht durchkommen. Allerdings ist der Lobbydruck auch groß. Die Autoindustrie ist in den Ministerien und dem Kanzleramt omnipräsent.

Frage: Aber die Bundesregierung muss die Arbeitsplätze bei den großen Arbeitgebern doch im Auge behalten. Wären diese nicht durch hohe Schadenersatzleistungen gefährdet?

Krischer: In den USA erhalten die Kunden Schadenersatz, hier nicht einmal einen feuchten Händedruck. Dabei gibt es mehrere Tausend vorzeitige Todesfälle jährlich durch die zu hohen Abgas-Emissionen. Fahrzeuge überschreiten die Grenzwerte bis zum Zehnfachen. Gleichzeitig machen die Konzerne Milliardengewinne. Sie müssen die Diesel wenigstens nachrüsten, was mit einem erträglichen Kostenaufwand möglich ist. Stattdessen droht eine Bestrafung der Dieselbesitzer, wenn Kommunen Fahrverbote verhängen. Nachrüsten statt aussperren muss es heißen. Das kann sich die Industrie leisten.

Frage: Hat die Bundesregierung ausreichende Lehren aus dem Skandal gezogen?

Krischer: Bislang nicht. Wir brauchen Feldtests der Fahrzeuge durch eine unabhängige Einrichtung wie das Umweltbundesamt. Auch müsste die Typzulassung, die unter anderem die Einhaltung der Grenzwerte vorschreibt, auf europäischer Ebene kontrolliert werden. Hier überwacht sich die Autoindustrie momentan quasi selbst. Und der Chef des Kraftfahrt-Bundesamts ist eine Fehlbesetzung, der lieber wegguckt als seine Kontrollpflichten ernst zu nehmen fühlt. Es gibt also noch viel zu tun.

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