Digitales Verkehrsnetz nimmt Formen an
Deutsche Bahn will autonom fahrende Busse und Lkw einsetzen
23. Dez. 2016 –
Olli erinnert stark an eine große Gondel, die Wanderer und Skifahrer zwischen Berg und Tal befördert. Stattdessen rollt er Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt und Bahnchef Rüdiger Grube in gemächlichem Tempo einmal rund um den Campus EUREF in Berlin. Olli fährt alleine, ohne Fahrer. Im kommenden Jahr soll der autonome Bus dann Touristen im bayrischen Bad Behrenbach vom Bahnhof zum Kurhaus chauffieren. Ein Schelm, wer da an eine kleine Wahlkampfhilfe für den CSU-Minister denkt. „Autonome Fahrzeuge werden den Mobilitätsmarkt revolutionieren“, schwärmt Grube von den Aussichten, „weil Kunden damit öffentliche Verkehre genau dann nutzen können, wenn sie das Angebot brauchen.“
Damit ist ein weiteres Testfeld für die selbstfahrenden Mobile eröffnet. „Das ist die erste Fahrt eine autonomen Busses in freiem Gelände“, sagt Dobrindt. Die Autobahn A9 in Bayern entlang sausen bereits Fahrzeuge in Eigenregie. Eigenartige Verkehrsschilder sorgten dort jüngst für Verwirrung. Den Autofahrern waren die Markierungsanzeiger für die Navigationssysteme autonomer Fahrzeuge unbekannt. Die Bahn hat auch auf diesem Teilstück viel vor. Gemeinsam mit dem Lkw-Hersteller MAN entwickelt der Konzern die Technologie für das so genannte „Platooning“ weiter. Dabei vernetzen sich fahrende Transporter und können so extrem dicht aufeinander auffahren. Ein Fahrer muss bloß noch im ersten Wagen des Zugs aufpassen. 2018 sollen sie im realen Verkehr debütieren. Kaum ein anderes Unternehmen würde vom autonomen Fahren so profitieren wie die Bahn. Züge ohne Lokführer, Busse und Lkw ohne Fahrer, Güterzüge, die sich selbst zusammenstellen.
Auch in vielen anderen Unternehmen erzeugt die Digitalisierung eine neue Aufbruchstimmung. Der Trend zum Teilen statt zum Besitzen ist mittlerweile auch in der Automobilindustrie angekommen. Die großen Hersteller wollen von der in den Städten verbreiteten Vernetzung verschiedener Verkehrsträger profitieren. Mit Carsharing-Töchtern DriveNow und Car2Go sind BMW und Daimler dabei, die Medienberichten zufolge angeblich fusionieren wollen. VW hat mit „Moia“ gerade erst eine neue Konzernmarke ins Leben gerufen. Das Unternehmen soll weltweit zu einem der führenden Mobilitätsdienstleister heranwachsen. Digitale Technologien ermöglichen diese Erfolgsphantasien. Denn der Einsatz von Apps auf dem Smartphone verändert das Mobilitätsverhalten. Überall und leicht lassen sich von den Kunden mit den kleinen Programmen die für sie besten Verbindungen abrufen oder buchen.
Der Megatrend ist jedoch das autonome Fahren. Das Ziel sind fahrerlose Autos, Bahnen, Busse und vor allem Transporter. Wann die Technik sicher einsatzbereit ist, steht noch in den Sternen. Die Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts haben kürzlich in einer Studie das Jahr 2030 als Zeitpunkt genannt, ab dem Roboterfahrzeuge Päckchen, Pakete oder Lebensmittel an die Empfänger in den Städten ausliefern könnten. Daimler forscht an selbstfahrenden Lkw. Die Technologie funktioniert bereits. Die Fahrer könnten sich während ihrer Tour anderweitig beschäftigen, zum Beispiel die Transporte disponieren oder Büroarbeiten erledigen. Die wirtschaftlichen Vorteile autonomen Fahrens liegen auf der Hand. Personal wird effizienter oder eben gar nicht mehr eingesetzt.
„Ein völlig verändertes Verkehrssystem wird entstehen“, glaubt die Deutsche Bahn. Ein großer neuer Markt entstehe, für „Individuelle Öffentliche Mobilität (IÖV). Da ist viel Raum für digitale Geschäftsmodelle, von der Information über die Buchung bis hin zur Organisation und der Abrechnung von Mobilitätsleistungen. Insgesamt steckt der Konzern bis 2018 eine Milliarde Euro in die Digitalisierung. Diese Summe lässt die Hoffnungen auf die Chancen erahnen. Für die selbstfahrenden Mobile geht nur ein Teil der Summe drauf. Daneben digitalisiert die Bahn ihre Kommunikation mit den Fahrgästen und ihre internen Abläufe. „Wir versprechen uns eine deutliche Effizienzsteigerung“, sagt Grube. Die Bahn hat beste Voraussetzungen dafür, einer der größten Verkehrsanbieter über alle Verkehrsträger hinweg zu werden. Denn neben den Kerngeschäften im Schienenverkehr hat das Unternehmen längst auch beim Carsharing oder dem Fahrradverleih ein Angebotsnetz aufgebaut.