Doping fürs Gehirn

Immer häufiger greifen Studenten und Manager zu leistungsfördernden Medikamenten und nehmen sämtliche Nebenwirkungen in Kauf

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05. Jan. 2010 –

Nie wieder Durchhänger im Job, ständig topfit und gut gelaunt – wer wäre das nicht gerne. Um der eigenen Leistungsfähigkeit nachzuhelfen, greifen Gesunde zu Demenz-Pillen, Narkolepsie-Medikamenten oder Antidepressiva. Ethiker sind geteilter Meinung, ob es künftig erlaubt werden sollte, dem Gehirn künstlich auf die Sprünge zu helfen.

 

„Medikamentenmissbrauch am Arbeitsplatz gibt es schon sehr lange“, sagt Jörg Feldmann, Pressereferent bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) in Dortmund. „Neu ist, dass Präparate gezielt eingesetzt werden, um die Leistung zu steigern.“ Genaue Zahlen darüber, wie viele Menschen sich im Job aufputschen, kennt er nicht. Jedoch hat die Deutsche Angestellten-Krankenkasse (DAK) für ihren Gesundheitsreport 2009 über 3.000 Mitglieder befragt, ob sie selbst schon Medikamente zur Steigerung der geistigen Produktivität oder zur Aufhellung der Stimmung konsumiert haben – und zwar ohne medizinisch triftige Gründe. Das Ergebnis: Rund fünf Prozent antworteten mit ja. Und nahezu einer von fünf Befragten gab an, mindestens eine Person im Kollegen-, Freundes- und Bekanntenkreis oder in der Familie zu kennen, die Arzneimittel einnimmt oder eingenommen hat.

 

Doch mit welchen „kleinen Helfern“ putschen sich Deutschlands Beschäftigte auf? Und wer nimmt was?

 

Laut DAK-Bericht stehen Psychostimmulanzien, Antidementiva, Antidepressiva und Beta-Blocker ganz oben auf der Liste. „Bei hohem Leistungsdruck ist die Versuchung groß, anstatt auszuschlafen, in die Medikamentenbox zu greifen“, erklärt Feldmann. Neben den erhofften positiven Effekten wie Steigerung der Lernfähigkeit oder  Stimmungsaufhellung, birgt die Einnahme der Substanzen jedoch zahlreiche Gefahren. „Zum einen riskieren die Betroffenen, abhängig zu werden“, so der Referent. „Zum anderen bringen die Mittel unterschiedliche Nebenwirkungen mit sich, von depressiven Verstimmungen, über Schmerzen, bis zum Zusammenbruch.“

 

Vor allem „kognitiv stark beanspruchte, leitungsbereite Gruppen“, also zum Beispiel Studenten oder Manager, sind bereit, zu leistungssteigernden Substanzen zu greifen, heißt es in der DAK-Studie. Unter Hochschülern scheint geradezu ein Hype um das Medikament Ritalin ausgebrochen zu sein. Es enthält den Wirkstoff Methylphenidat, mit dem normalerweise hyperaktive Kinder behandelt werden. In zahlreichen Internetforen tauschen sich Studenten darüber aus, wo sich das Mittel beschaffen lässt – schließlich sind die Pillen rezeptpflichtig und fallen unter das Betäubungsmittelgesetz. Eine Minderheit der User warnt aber auch davor.

 

Welche Nebenwirkungen das Mittel mit sich bringt, zeigt ein Selbstversuch eines Studenten den das Portal Zeit Online veröffentlicht hat. „Ich bin ein Zombie, der lernt wie eine Maschine“, schreibt der angehende Akademiker dort und berichtet von Appetitlosigkeit und gesteigerter Aggressivität. Am Ende fragt er sich, ob er durch die Einnahme nicht den Notendurchschnitt verderben und seine Kommilitonen dadurch benachteiligen würde.   

 

Unter Ethikern herrscht eine eifrige Debatte, ob Gehirndoping erlaubt werden soll. John Harris, Professor für Bioethik an der University of Manchester (UK) argumentiert dafür. Es sei nicht vernünftig dagegen zu sein, schreibt er auf dem Internetauftritt des British Medical Journal (BMJ). Schließlich seien Menschen chronische Selbstverbesserer. Den Nutzen des Hirnaufputschens stellt er höher als dessen Kosten. Ganz anders sieht das sein Kollege Professor Anjan Chatterjee von der University of Pennsylvania (USA). „Eine Droge, die Examenresultate verbessert, kann verlockend klingen“, schreibt er im BMJ. Die Gefahren aber würden heruntergespielt werden: „Der kognitive Gewinn ist minimal, die medizinischen Risiken nicht.“   

 

Ob die Cognitive Enhancer, so werden die Aufputschmittel fürs  Gehirn genannt, künftig an jeder Ecke ganz einfach erworben werden können, ist zweifelhaft. Doch es gibt auch Mittel, um fit durch den Arbeitsalltag zu kommen.

 

Einige schwören auf den guten altbewährten Kaffee, andere greifen gleich zu Koffeintabletten aus der Apotheke. Andere wiederum nehmen sich Frank Zappas Ausspruch an und joggen. „Die härteste Droge ist ein klarer Kopf“ hatte der amerikanische Musiker einst gesagt. Und was viele schon immer gewusst haben, wurde kürzlich wissenschaftlich bewiesen: Die Doktorandin Ann-Christine Andersson Arntén von der Universität Göteborg (Schweden) hat in ihrer Dissertation belegt, dass sowohl die Qualität einer Beziehung als auch Erfüllung im Sexualleben als Puffer gegen negative gesundheitliche Auswirkungen von Arbeitsstress wirken können.  

 

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