E-Mobilität drängt in den Osten

Die neuen Länder scheinen sich zum Zentrum der E-Mobilität zu entwickeln. Oder sind es doch nur wieder die Subventionen, die Tesla & Co anlocken?

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Von Wolfgang Mulke

20. Nov. 2019 –

Der alte und neue Wirtschaftsminister Brandenburgs, Jörg Steinbach, kann die Kette guter Nachrichten noch nicht recht fassen. „Das sind Brandenburger Festwochen“, stellt er fest, als nur wenige Tage nach Tesla nun auch der Batteriehersteller Microvast den Bau einer Fabrik ankündigte. Kleinklein ist des Ministers Sache nicht. „Wir sind am Beginn einer ganz großen Entwicklung“, glaubt der Sozialdemokrat. Rund um erneuerbare Energien will das Land die Nummer eins in Deutschland werden.

Zumindest Sascha Kelterborn, der deutsche Chef von Microvast, hält das für möglich. Das Unternehmen werde seine Europazentrale hier ansiedeln, verspricht er. Der aus Houston in Texas stammende Hersteller will Produktionsanlagen aus China und Forschungsarbeitsplätze aus anderen Ländern in den Großraum Berlin verlagern. Microvast stellt höherwertige Stromspeicher für E-Mobile, etwa Lkw oder Busse her, die in weniger als 15 Minuten aufgeladen werden können und angeblich so lange halten wie das Fahrzeug selbst.

Deutschland, und hier nicht die traditionellen Autostandorte im Süden des Landes, sondern die Region rund um die Hauptstadt ist Kelterborn zufolge der beste Platz für die Weiterentwicklung der E-Mobilität. Im Vergleich zu Tesla ist der Batteriefabrikant klein. 43 Millionen Euro investiert Microvast in eine erste Produktionslinie, die 150 Jobs bringt. Wenn es gut läuft, sollen weiter hinzukommen. Bei Tesla ist von vier Milliarden Euro und bis zu 8.000 Stellen die Rede, wenngleich diese Zahlen nicht bestätigt sind.

Beide Investitionen passen zu der These, dass sich im Osten Deutschlands allmählich ein neuer Industriezweig entwickelt, der bisher vor allem in China oder Amerika unterwegs war. Darauf lassen einige Nachrichten schließen. Im sächsischen Freiberg bereitet die Deutsche Lithium den Abbau des für die Speicherproduktion wichtigen Rohstoffs Lithium vor. 125.000 Tonnen sollen im deutsch-tschechischen Grenzgebiet im Boden liegen. 2021 soll der Abbau spätestens starten. Lithium ist ein Leichtmetall, das für die Produktion von Akkus, zum Beispiel für Smartphones, Laptops oder eben E-Mobile benötigt und hauptsächlich in Südamerika abgebaut wird.

Ein potenzieller Abnehmer wird sich dann wohl nicht weit weg in Zeitz in Sachsen-Anhalt finden. Dort bereitet der der niederländische Metall-Konzern AMD den Bau einer Raffinerie für das Lithium vor. Der nächste Halt des Rohstoffs könnte das Erfurter Kreuz oder eben Ludwigsfelde sei. In Thüringen errichtet der chinesische Batteriehersteller und weltgrößte Produzent von Batteriezellen CATL für 1,6 Milliarden Euro ein neues Werk für den Massenmarkt.

Ob all diese Ansiedlungen Beginn der ganz großen Entwicklung sind, die Steinbach erwartet, muss sich erst einmal zeigen. Kelterborn glaubt daran. Bisher spiele die Musik vor allem in China, nun entwickele sich Europa zum Massenmarkt für E-Mobilität, ist sich der Manager sicher. Angesichts des hohen Automatisierungsgrades der Fabriken sei der Lohnkostenvorteil Chinas kein Argument mehr gegen eine Fertigung in Deutschland. Doch daran gibt es auch Zweifel, zum Beispiel die von Karl Brenke vom Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Er vermutet als Grund für die berlinnahen Standorte eher die hohen Subventionen, mit denen die Firmen rechnen können. „Wenn die Lohnkosten keine Rolle mehr spielen und hoch subventioniert wird, ist die Rechnung für die Unternehmen klar“, sagt Brenke. Bei Tesla könnte demnach jeder fünfte Euro der vier Milliarden aus Fördertöpfen stammen. Dazu kämen noch verdeckte Hilfen, etwa beim Grundstückserwerb oder der Erschließung. Angesichts des bisher noch nicht entwickelten Massenmarktes für Elektromobile bleibt Brenke erst einmal skeptisch. Erst wenn Subventionen auslaufen und die Unternehmen sich selbst tragen, könnte von einem wirtschaftspolitischen Erfolg gesprochen werden.

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