Ein Hang zum skandalösen

Verbraucherschützer mischen sich manchmal zu viel ein

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Von Wolfgang Mulke

03. Aug. 2009 –

Uran im Mineralwasser, Nickel in der Limonade, imitierte Nahrungsmittel oder Zertifikate für Jedermann: Bei diesen Themen schlägt die Stunde der Verbraucherschützer. Da wird angeprangert, Besserung gefordert und Beratung geboten. Immer häufiger drängt sich der fatale Eindruck auf, dass dabei mehr um die eigene Profilierung geht als um die Sache. Das gute Anliegen gerät auf eine schiefe Bahn, weil Verbraucherschutz auch nach Marktkriterien funktioniert. Wer als „der Gute“ Aufmerksamkeit erregt, kann Spender begeistern oder staatliche Gelder einfordern. Das sichert die Jobs der Verbraucherschützer.

Es gibt kaum ein Thema, zu dem nicht flugs eine der vielen Organisationen zu Wort meldet. Vom Fahrgastverband, über den Lebensmittelschutzverein Foodwatch bis zum Bund der Versicherten wird die gesamte Palette des normalen Lebens von einer Lobby abgedeckt. Oben drüber schweben die Verbraucherzentralen und machen Druck auf die Politik. Fast immer stößt die Kritik an vermeintlich unhaltbaren Zuständen auf ein breites Medienecho, egal wie berechtigt sie tatsächlich ist.

Verbraucherschützer haben Macht, auch wenn sie es gerne anders darstellen. Produkttests sind das beste Beispiel dafür. Die schlecht benotete Waschmaschine wird zum Ladenhüter, die untaugliche Sonnencreme bleibt im Regal liegen. So erfreulich diese Lobbyarbeit für den Kunden ist, zeigen sich doch auch bedenkliche Kehrseiten des wachsenden Einflusses. Mit dem Boom bei Ratgebern und Aufpassern steigt auch deren Fehlerquote.

Immer häufiger werden Bagatellen zu Skandalen hoch gejazzt. Das gilt insbesondere bei Lebensmitteln, weil die Öffentlichkeit hier extrem sensibel reagiert. Da werden schon mal Rückstände in Nahrungsmitteln als giftig angeprangert, obwohl man Unmengen davon verspeisen müsste, bevor ein Schaden auftritt. Einer Limonade wurde von der Zeitschrift Ökotest ein höherer Zuckergehalt attestiert als angegeben. Es ging um die Frage, ob in einer Flasche 4,7 Stück Würfelzucker oder tatsächlich sechs Stück aufgelöst werden. Mitunter lässt sich der Eindruck gewinnen, es werde bei manchen Produkten einfach nur so lange gesucht, bis sich etwas Kritikwürdiges findet.

Ein weiterer Trend ist ebenso bedauerlich. Unter dem Deckmantel des Verbraucherschutzes wird den Menschen immer mehr vorgeschrieben, wie sie leben sollten. Die Diskussion um die Ampelkennzeichnung ist ein Beispiel dafür. Es soll von Staats wegen festgelegt werden, was für den Kunden gut ist und was nicht. Ein Aufdruck ohne Signalfarben täte es auch. Wo Erziehung zwecklos ist wie beim Stichwort Gier, wird häufig das Opferbild gezeichnet. Hier sind die bösen Banken, dort die geprellten Anleger. Dabei ist doch wohl Eigenverantwortung bei der Geldanlage gefragt. Mit hohen Renditen sind nun einmal hohe Risiken verbunden. Ist ein Vollkaskoschutz der Verbraucher wirklich überall vonnöten?

Aus Sicht der vielen Verbände und Einrichtungen schon. Denn Verbraucherschutz ist ein lukrativer Markt geworden, von dem eine Menge Leute ganz gut leben können. Entsprechend groß ist deren Interesse an öffentlicher Wahrnehmung. Die Hefte von Test oder Ökotest verkaufen sich halt besser, wenn die Prüfer bei Produkten oder Dienstleistungen auf unhaltbare Zustände stoßen. Die Verbraucherzentralen müssen die Millionenzuschüsse des Staates rechtfertigen, und nehmen sich dabei auch Themen an, die eigentlich gar nicht in ihr Ressort fallen. Zugleich stecken die bekanntesten Verbraucherschützer in einem echten Dilemma. Einerseits sollen sie Druck auf die Politik ausüben, andererseits sind sie finanziell von denselben Politikern abhängig. Ideal ist diese Konstruktion nicht.

Dabei gibt es durchaus viel zu tun. Konsumenten sind auf ein faires Regelwerk in einer immer komplexeren Welt angewiesen. Die Verwirrung sollte aber durch künstliche Problematisierung nicht noch erhöht werden. Insbesondere die politisch einflussreichen Verbraucherzentralen sollten bescheidener werden und sich auf die Kernanliegen ihrer Klientel beschränken, statt ständig auf neue, öffentlich finanzierte Aufgabenfelder zu schielen.

Auch die Medien müssen dazu lernen. Nicht jede gute Sache hält einer kritischen Betrachtung stand. Die Schwachstellen müssen auch hier benannt und die Organisationen so einer gesellschaftlichen Qualitätskontrolle unterworfen werden. Denn sonst verlieren Verbraucherschützer und Medien irgendwann erst ihre Glaubwürdigkeit, dann ihren Einfluss. Beide Pfunde sind zu wichtig, als dass sie leichtfertig geopfert werden sollten.



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