Ein idealer Ort für Lügen

Umbenennung: Facebook ohne Facebook

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Von Hannes Koch

30. Okt. 2021 –

Das US-Unternehmen Facebook steht unter politischem Druck. Dies ist einer der Gründe, warum Gründer Marc Zuckerberg es bald in „Meta“ umbenennen will. Aber der neue Name ist auch ein Zeichen für die Weiterentwicklung des Konzerns.

Während der vergangenen Jahre hatte das soziale Netzwerk mit seinen bis zu drei Milliarden Nutzerinnen und Nutzern weltweit großen wirtschaftlichen Erfolg, aber auch massive politische Probleme. Kürzlich erst erhob die ehemalige Facebook-Mitarbeiterin Frances Haugen vor dem US-Kongress schwere Vorwürfe gegen ihren früheren Arbeitgeber. Dem Management sei beispielsweise bekannt, dass Teenager unter der Schönheitskonkurrenz im Foto- und Video-Netzwerk Instagram litten, trotzdem strebe die Firma weiteres Wachstum der Nutzerzahlen an. Außerdem verspreche Facebook zwar offiziell, Wahlmanipulation zu verhindern, stelle aber zu wenig Mittel dafür zur Verfügung.

Das Geschäftsmodell beruht darauf, die Leute möglichst lange auf den Plattformen zu halten. Deshalb wird die Emotionalisierung der Kommunikation gefördert. Es entstehen nahezu ideale Orte für Hassbotschaften und Lügen. Facebook sperrt mittlerweile zwar auch bestimmte Informationen, Personen und Gruppen – trotzdem trägt die Auseinandersetzung zur gesellschaftlichen Polarisierung bei. Viele Politikerinnen und Politiker halten das Netzwerk deshalb für demokratiegefährdend.

So wird in den USA die Forderung diskutiert, das Unternehmen zu zerschlagen. In Europa strebt die EU-Kommission die Regulierung der Plattformen an – neben Facebook auch US-Konzerne wie Google, Amazon oder Airbnb. Die Nutzerinnen und Nutzer sollen etwa die Möglichkeit erhalten, die personifizierte Werbung auszuschalten, mit der sich die Konzerne wesentlich finanzieren.

Eine Taktik des Facebook-Managements könnte nun darin bestehen, das teilweise schlechte Image des Unternehmens durch die Umbenennung abzustreifen. Der neue Name Meta weist allerdings weiter voraus. Er leitet sich ab aus dem Kunstbegriff Metaversum, einer assoziativen Verbindung von virtueller Realität und Universum. Mit Computer-Brillen vor den Gesichtern sollen räumlich weit von einander entfernte Menschen später in künstlichen Welten spielen, arbeiten und leben.

Das kann man als Utopie oder Dystopie betrachten, jedenfalls sehen Zuckerberg und seine Leute darin ein wesentliches neues Geschäftsfeld, das bald wichtiger werden könnte, als die bisherigen Netzwerke Facebook, Instagram und Whatsapp. Der Meta-Konzern würde eine Holding-Struktur erhalten – oben die zentralen Funktionen, darunter die einzelnen Säulen, unter anderem das Metaversum.

Sowohl betriebswirtschaftlich als auch politisch könnte diese Operation Vorteile bieten. Einerseits ermöglicht sie die Flexibilität, neue Geschäftsfelder zu integrieren und zu steuern. Andererseits mag es dadurch leichter werden, problematische oder weniger profitable Bereiche abzustoßen. Vielleicht kommt es später zur Abspaltung der bisherigen Netzwerke – nicht nur wegen des politischen Drucks, sondern auch aus ökonomischen Gründen. So bereitet sich das Unternehmen auf die Zukunft vor, vielleicht auf diese: Facebook ohne Facebook.

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