Ein soziales Experiment

Kommentar zum Grundeinkommen von Hannes Koch

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06. Jun. 2016 –

„Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen“, heißt es im ersten Buch Mose. Wird dieser Satz der Bibel künftig noch gelten? Das ist die Kernfrage, die der Debatte über das Bedingungslose Grundeinkommen zugrundeliegt. Bei der Schweizer Abstimmung am Sonntag wurde sie offiziell zwar nicht gestellt, doch jeder, der am Plebiszit teilnahm, musste eine Haltung dazu einnehmen. 77 Prozent der abstimmenden Bürger votierten gegen das Grundeinkommen, immerhin 23 Prozent dafür – eine erstaunlich hohe Zahl, wenn man bedenkt, dass es um die Forderung nach einem sehr grundsätzlichen Kulturwandel geht.

 

Interessant ist, dass es die Befürworter in der Schweiz überhaupt so weit geschafft haben. Infolge der Abstimmung steht das Grundeinkommen auch in Deutschland wieder stärker zur Diskussion. Einfach gesagt geht es darum: Jeder Bundesbürger könnte beispielsweise 800 Euro pro Monat von der Gemeinschaft erhalten, ohne den Nachweis irgendeiner Arbeitsbereitschaft erbringen zu müssen.

 

Ein solches System existiert nirgendwo auf der Welt. Führte man es ein, würde die biblische Weisheit, die ein Naturgesetz zu beschreiben scheint, außer Kraft gesetzt. Wenn der Staat jedem Bürger 800 Euro zahlt, muss man sich um das Existenzminimum keine Sorgen mehr machen. Zwar fließen dann nicht Milch und Honig, aber auf niedrigem Niveau könnte man doch lebenslangen Urlaub genießen.

 

Würden also nicht Millionen Leute aufhören zu arbeiten? Und wären die Beschäftigten, die weiter tätig sind, bereit, eine steigende Zahl von Müßiggängern mitzufinanzieren? Für viele Menschen, die nicht in der Lage sind, Verantwortung für ihr eigenes Leben zu übernehmen, wäre das Grundeinkommen wahrscheinlich schlecht. Denn es fehlte der äußere Druck, etwas für die Gemeinschaft und sich selbst zu leisten. Andere, vielleicht sogar die Mehrheit, erlebte das Grundeinkommen jedoch als Reich der Freiheit. Eine Explosion der Kreativität würde folgen, man könnte ohne Zwang seine Idee verwirklichen. Vielleicht käme es sogar zu einem Wirtschaftswunder mit zehntausenden neuen Unternehmen und Millionen zusätzlicher Arbeitsplätze.

 

All das aber ist Spekulation. Wie das Grundeinkommen wirkte, kann man heute nicht wissen. Deswegen wäre es hilfreich, ein soziales Labor zu errichten und das System zu testen. Eine Stadt und ein Landkreis könnten das Grundeinkommen mit Unterstützung der Bundesregierung für fünf Jahre einführen. Wissenschaftler studierten das Verhalten der Menschen. Danach verfügten wir über eine solidere Basis der Debatte.

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