Eine Frage des Vertrauens
Warum die EZB den Zins anhebt
17. Mär. 2023 –
Isoliert betrachtet sind die drei Bankpleiten in den USA Folgen schlechten Managements oder falscher Anlegeentscheidungen. Und auch die Probleme der Crédit Suisse, der zweitgrößten Schweizer Großbank, beruhen auf Fehlern der Führung und hausinternen Skandalen, riskanten Investitionen und verschleppten Reformen. In normalen Zeiten wären die drei US-Banken verkauft worden, nach einigen Tagen hätten sich alle wieder beruhigt. Und auch die Crédit Suisse wäre betrachtet worden als das, was sie ist: ein Sanierungsfall. So war es bereits 2021, als eine Hedgefonds-Pleite die Bank Milliarden kostete. Aber die Zeiten sind nicht normal. Sie sind vielmehr unsicher. Und in solchen Zeiten zählt Vertrauen mehr als nackte Zahlen.
Die Situation nach der Corona-Pandemie, der Angriff Russlands auf die Ukraine, die geopolitischen Spannungen zwischen den USA und China – das alles belastet die Maschinerie der Weltwirtschaft. Und den Bankensektor, der mit Krediten und Investitionen das Schmiermittel liefert. Hinzu kommt die Inflation: Weltweit stiegen die Preise zunächst, weil die Wirtschaft nach der Pandemie schneller ansprang als gedacht. Dann befeuerte der Krieg, in dem Russland Energie als Waffe gegen Europa einsetzte und in dessen Folge vor allem Gas und Öl teurer wurden, die Teuerung.
Die Zentralbanken rund um den Globus hoben die Zinsen an, was sie immer tun, wenn die Inflation zu sehr steigt. Wenn Geld teurer wird, dämpft das Investitionen und Ausgaben – und die Preise. Hohe Zinsen, Krieg, Machtblöcke auf Kollisionskurs: In einer solchen Situation sind die Finanzmärkte sehr angespannt. Und dann lösen drei kleinere US-Banken, die insolvent gehen, Unsicherheit aus. Investoren zweifeln an der Branche weltweit, ziehen ihr Geld ab, trennen sich von Aktien jener Institute, die ohnehin schwächeln – wie die Crédit Suisse.
Was passiert, wenn Vertrauen schwindet, ließ sich während der Finanzkrise 2008 sehen. Die US-Investmentbank Lehman, ein internationales Schwergewicht, rutschte in die Pleite. Weltweit misstrauten sich die Banken danach, verliehen sich untereinander kein Geld mehr – es könnte ja sein, es komme nicht zurück. Das bremst jegliche Investitionen, gefährdet die Gesamtwirtschaft. Um Vertrauen zu schaffen und die Wirtschaft am Laufen zu halten, pumpten die Notenbanken weltweit praktisch beliebig viel Geld in die Märkte – der Beginn der Nullzins-Politik, die erst im vergangenen Jahr endete. Gleichzeitig wurden die Regeln für Kreditinstitute verschärft.
In der aktuellen Situation hat die US-Notenbank bereits versucht, die Märkte zu beruhigen. Die Schweizer Nationalbank brachte die Crédit Suisse dazu, umgerechnet rund 51 Milliarden Euro anzunehmen. Offiziell ist es eine Anleihe, tatsächlich aber die staatliche Rettung der Bank. Das stellte das Vertrauen erst einmal wieder her.
Die Europäische Zentralbank steckte in einem besonderen Dilemma: Sie musste am Donnerstag über die Leitzinsen entscheiden. Angekündigt war, sie von 3,0 auf 3,5 Prozent anzuheben. Sollte die EZB eingehen auf die Aufregung an den Finanzmärkten und die Zinserhöhung kleiner ausfallen lassen? Oder vorgehen wie geplant? Die Notenbanker entschieden sich für letzteres. Ein klares Signal: Sie halten die Banken für solide und robust, die Lage für weniger dramatisch – und konzentrieren sich auf die Inflation. Denn isoliert betrachtet ist sie mit zuletzt 8,5 Prozent in der Euro-Zone immer noch weit entfernt von jenen zwei Prozent, die als optimal gelten.