Einen Gang runterschalten!

Kommentar zu Stress von Hanna Gersmann

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Von Hanna Gersmann

01. Nov. 2013 –

Sich mal ausklinken, durch Bielefeld flanieren, der eigenen Laune folgen. Wer macht das schon? Keine Zeit. In der globalisierten Welt geht die Arbeit nie zu Ende. Wir gehen auch fern im Urlaub noch ans Telefon. Gut tut das nicht. Die Deutschen, das bestätigt die neue Umfrage von Forsa, sind ausgebrannt, erschöpft, krank. Darum müssen wir den Feierabend neu erfinden - aber noch mehr als das.
Natürlich wäre es am besten, wenn jeder einen inneren Gewerkschafter hätte, der vor dem Hamsterrad warnt. Das ist aber nicht einfach. Die Erwartungen an die individuelle Leistungsfähigkeit sind enorm. Wir müssen uns permanent selbst optimieren. Da reicht schon der Blick auf die Stellenausschreibungen, gefordert werden „Flexibilität“, „Initiative“, „Motivation“. Sicher, Arbeit ist nicht per se schlecht, sie wirkt für viele stabilisierend, gibt dem Tag Struktur. Auch Stress kann gut sein, weil er Ansporn gibt. Nur: War der Arbeitsplatz einst eine Art soziokulturelles Habitat, in dem man sich einrichten und leben konnte, müssen heute viele ihr Glück als Einzelkämpfer suchen.
Immerhin ist der Stress längst ein Politikum und klar geworden: Es geht nicht um individuelle Krankengschichten, sondern um ein System. So hat der Betriebsrat von Volkswagen für die VW-Beschäftigten Ende 2011 eine Blackberry-Pause nach Feierabend durchgesetzt. CDU-Politikerin Ursula von der Leyen plädierte für E-Mail-freie Wochenenden. Die IG Metall legte den Entwurf für eine Anti-Stress-Verordnung vor, nach der Betriebsräte bei Arbeitszeit und -pensum mehr Mitspracherechte hätten. Das ist begrüßenswert. Entlastend genug ist es jedoch nicht.
Die Unternehmer müssen endlich selbst reagieren - in ihrem eigenen Interesse. Psychisch Erkrankte fehlen schließlich dreimal so lange wie körperlich Kranke. Gefragt ist eine neue Führung.
Denn ein Banker mit sozialen Ängsten tut sich schwer am Schalter. Ein Pfleger, der dem eigenen Anspruch nach würdevoller Versorgung nicht nachkommen kann, hat Unterstützung verdient. Und ein Bahnmitarbeiter, der permanent Engpässe bewältigen muss, weil Leute wegen Krankheit ausfallen, braucht neue Vertretungsregeln. Es geht darum, einen Gang zurückzuschalten. Und um eines: Achtsamkeit.

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