Einkommen für alle ohne Arbeit

Forderung von gestern für morgen: Hunderte Basisinitiativen mobilisieren für das bedingungslose Grundeinkommen

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Von Hannes Koch

15. Sep. 2009 –

Gottesdienst, Show, Teach-In – das war etwa die Mischung, die man am Dienstag Abend in der Heilig-Kreuz-Kirche zu Berlin-Kreuzberg genießen, oder, wie man es nimmt, erleiden konnte. Götz Werner, der milliardenschwere Eigentümer der Drogerie-Kette dm, predigte die Erlösung von der Armut. Ihm assistierte Katja Kipping, eine der Frontfrauen der Linkspartei. Hinter der Forderung nach dem bedingungslosen Grundeinkommen versammelt sich eine seltsame Koalition aus Kapital und Arbeit, oben und unten, die es sonst nirgendwo gibt.


Götz Werner, Jahrgang 1944, peilender Blick, behaarte Handwerkerarme, schafft es mühelos, Hallen mit 1.000 Plätzen zu füllen. Er hat die Forderung nach dem Grundeinkommen, das jeder Bundesbürger erhalten soll, popularisiert. Deshalb stand er auch gestern Abend wieder vor dem Altar der Kreuzberger Kirche. Die Veranstaltung war Teil der Woche des Grundeinkommens, die in diesen Tagen, kurz vor der Bundestagswahl, das fast vergessene Thema wieder in den Fokus der Öffentlichkeit rücken soll.


Die Idee ist so bestechend wie utopisch: Werner will, dass jeder erwachsene Bundesbürger einen Betrag von beispielsweise 750 Euro pro Monat vom Staat erhält, ohne dass er dafür irgendwelche Gegenleistungen, wie zum Beispiel Arbeit, erbringen müsste. Der garantierte Lebensunterhalt für alle würde die meisten bisher bekannten Sozialleistungen und auch viele Steuerfreibeträge ersetzen. Das neue Reich der Freiheit, hofft Werner, gäbe den Menschen die Möglichkeit, ein angstfreies Leben zu führen, statt von der Hartz-IV-Bürokratie in sinnlose Qualifizierungsmaßnahmen gepresst zu werden. Die nicht unerheblichen Kosten von mehreren hundert Milliarden Euro jährlich will der Unternehmer durch die Einsparung der alten Sozialleistungen und eine höhere Mehrwertsteuer finanzieren.


Dieses Programm zieht ein heterogenes Publikum an: liberale Rechtsanwälte, grüne Zahnärzte, Sozialarbeiter, Hartz-IV-Empfänger, Linksintellektuelle. Angesichts der Finanzkrise erscheint ihre gemeinsame Utopie zur Zeit freilich ein wenig deplaziert – sie ist ein Thema von gestern und für morgen.


Strahlkraft entwickelt hat die Forderung ab 2003 als Reaktion auf die rot-grünen Hartz-Reformen, die von vielen Bundesbürgern als Bruch mit dem Sozialstaat verstanden wurden. Durch den Crash des Finanzmarktes ab 2007 ist das Thema jedoch in den Hintergrund getreten. Bald allerdings könnte es wiederkehren: Wenn die Arbeitslosigkeit 2010 stark steigt, dürften die alten Debatten über zunehmende Ungerechtigkeit und soziale Spaltung eine Neuauflage erleben. Dafür spricht, dass sich im Windschatten der Aktualität ein erstaunlich breites Bündnis zugunsten des Grundeinkommens etabliert hat. Die Kampagne (www.woche-des-grundeinkommens.eu) stützt sich mittlerweile auf hunderte Initiativen und Gruppen in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Italien und anderen Ländern.


Unter den Parteien des Bundestages findet die Idee bislang wenig Widerhall. Allein die Linkspartei hat in ihr Wahlprogramm eine Forderung aufgenommen, die dem Grundeinkommen ähnelt. Die anderen vier Bundestagsparteien distanzieren sich mehr oder weniger deutlich. Eine Partei freilich hat das Grundeinkommen zu ihrer Hauptforderung gemacht. Sie heißt „Die Violetten für spirituelle Politik“.

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