Ende einer Dienstfahrt

Kommentar

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Von Wolfgang Mulke

10. Okt. 2008 –

Jahrelang kämpfte Hartmut Mehdorn alle Widerstände gegen eine Teilprivatisierung der Bahn nieder. Nun steht er einem übermächtigen Gegner gegenüber. Der Zusammenbruch der Börsen hat die Verkaufspläne gestoppt. Die Entscheidung ist richtig. Schuldzuweisungen sind überflüssig, egal, wie man zu den Plänen steht. Gegen diese Art der höheren Gewalt ist kein Kraut gewachsen.

 

Offiziell wird zwar nur von einer Verzögerung gesprochen. Doch faktisch sind die Chancen auf einen Börsengang der Bahn auf ein Minimum geschrumpft. Es müsste schon ein Wunder geschehen, damit sich die Finanzmärkte in kurzer Zeit wieder aufrappeln und das erwünschte Marktumfeld erwächst. Wahrscheinlich dauert es Monate, bis die Investoren wieder etwas freigiebiger werden. Doch zwischenzeitlich wird allen Prognosen zufolge die Konjunktur erheblich abflauen. Davon ist auch die Bahn betroffen, weil weniger Güter transportiert werden und weniger Geschäftsreisende unterwegs sind. Das drückt die Gewinne und damit auch den möglichen Börsenwert. Für einen geringen Milliardenertrag wird aber kein verantwortlicher Politiker den Börsengang erlauben.

 

Erst einmal im nächsten Frühjahr angelangt, drohen weitere Hürden. Denn ab einem gewissen Zeitpunkt des Bundestagswahlkampfs wird kaum mehr eine Entscheidung über einen zweiten Anlauf auf das Börsenparkett gestartet. Bis sich schließlich eine neue Regierung formiert hat, ist das Jahr 2009 beendet. Erschwerend kommt hinzu, dass durch die Finanzmarktkrise und das Fehlverhalten der Banken Privatisierungen in der öffentlichen Meinung ohnehin nicht gut gelitten sind und die Diskussion um die Zukunft der Bahn wohl neu entbrennen wird. Wenn der nächste realistische Zeitpunkt erst um Jahr 2010 liegt, muss das ganze Prozedere von vorne beginnen. Einer ist dann gewiss nicht mehr im Boot. Mehdorn wäre dann zu alt, um potenziellen Investoren langfristige Ideen zu verkaufen. Das Abblasen des Börsengangs kommt somit dem Ende einer Dienstfahrt des Bahnchefs gleich.

 

Vielleicht sollte die neue Lage zu neuen Diskussionen genutzt werden. Die Bahn ist ertragreich. Warum sollten nicht ausnahmsweise einmal die Spielregeln umgedreht und Gewinne sozialisiert werden? Auf lange Sicht kommen dann auch die erhofften Erlöse zusammen. Die Bahn braucht das frische Kapital nicht zwingend. Das war eine der Unwahrheiten, mit denen die Börsenpläne gerechtfertigt wurden. Deshalb gibt es gar keinen Zeitdruck. Vielmehr sollten die Börsenpläne neu diskutiert werden. Denn dass die Formel Privat=Besser nicht aufgeht, haben die letzten Wochen leider allzu deutlich gezeigt.

 

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