Erinnerung an Schuldenerlass für Deutschland

1953 erließen die Westalliierten Berlin einen guten Teil der alten Schulden. Griechen fordern eine vergleichbare Lösung

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Von Hannes Koch

06. Jan. 2015 –

Deutschland hat selbst einmal von einem Schuldenerlass profitiert. Einen solchen Schritt lehnt die Bundesregierung gegenüber Griechenland aktuell jedoch ab. 1953 erließen die Westalliierten der neuen Bundesrepublik rund die Hälfte ihrer Altschulden – und erleichterten damit den Start ins Wirtschaftswunder.

 

London, acht Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges: Vor allem die USA, Großbritannien und Frankreich sind zu einem finanziellen Kompromiss bereit. Knapp 30 Milliarden D-Mark schleppt die Bundesrepublik als Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches noch an Altschulden mit, die unter anderem aus dem Versailler Vertrag nach dem Ersten Weltkrieg resultieren. Dem ehemaligen Deutsche-Bank-Manager Hermann Josef Abs gelingt es, die Forderungen auf knapp 14 Milliarden D-Mark herunterzuhandeln.

 

Rund 16 Milliarden D-Mark – umgerechnet auf heutigen Wert etwa 28 Milliarden Euro – werden erlassen. Den Rest zahlt Westdeutschland in erträglichen Raten aus seinen Exporterlösen ab. Die Höhe dieser Zahlungen lässt genug Spielraum im Bundeshaushalt, um den Wiederaufbau voranzubringen.

 

„Die Wiederherstellung ihrer Kreditwürdigkeit war eine wichtige Voraussetzung für die Reintegration der Bundesrepublik in das Netz der internationalen Wirtschaft“, schreibt der Historiker Werner Abelshauser. Interessanterweise gehörte damals auch Griechenland zu den Unterzeichnern des Londoner Abkommens. In Athen fordern Politiker die Bundesregierung nun auf, sich ebenso wohlmeinend zu verhalten. John Milios, der Chefökonom der linken Partei Syriza, sagte gegenüber Spiegel Online: „Die Eurozone sollte für Griechenland eine ähnliche Lösung finden.“ Syriza werden gute Chancen zugesprochen, nach den Wahlen Ende Januar den nächsten Regierungschef zu stellen.

 

Das globalisierungskritische Netzwerk Attac unterstützt die Forderung. „Griechenland braucht dringend eine Erleichterung, um gegen die Krise handlungsfähig zu werden“, so Werner Rätz vom Attac-Koordinierungskreis. Auch Ökonom Werner Sinn vom Münchner Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung befürwortet einen Schuldenschnitt – wobei er meint, dass die Griechen die gemeinsame Euro-Währung verlassen und zur Drachme zurückkehren müssten.

 

Trotz der Sanierungsbemühungen steigen die Staatsschulden in Griechenland. Inzwischen haben sie wieder eine Größenordnung von etwa 320 Milliarden Euro erreicht. Rund zehn Prozent des Staatshaushaltes gehen für Zinsen drauf. Dieses Geld steht nicht zur Verfügung, um die Verwaltung zu verbessern, die Wirtschaft anzukurbeln oder die Armut zu lindern. Allerdings sieht man Licht am Ende des Tunnels: Das Staatsdefizit sinkt, und die Wirtschaft beginnt wieder zu wachsen. Deshalb beharrt die Bundesregierung darauf, dass das südeuropäische Land seine Lektion lernen und den bisherigen Weg fortsetzen müsse.

 

Schuldenerlasse kommen immer wieder vor. Deutschland hat sich beispielsweise an einem entsprechenden Programm zugunsten von Entwicklungsländern beteiligt. Ausschlaggebend ist der politische Wille. In den 1950er Jahren hatten die westlichen Siegermächte Interesse an einem stabilen, prosperierenden Westdeutschland als Teil ihres Bündnisses. Der Kalte Krieg hatte schon begonnen, und in Asien war der Korea-Krieg im Gange.

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