Erst der Garantiezins, dann der Aktionär

Verschiedenen Instrumenten sollen die finanzielle Lage der Lebensversicherer stabilisieren.

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Von Wolfgang Mulke

11. Mär. 2014 –

Wirtschaft / Lebensversicherungen / Mulke

 

Die Bundesregierung nimmt die Lebensversicherer an die kurze Leine. Derzeit bereitet das Finanzministerium ein Gesetzespaket dazu vor. Mit verschiedenen Instrumenten soll sichergestellt werden, dass die rund 90 Anbieter ihren Garantieverpflichtungen auch auf längere Sicht nachkommen können. Denn durch die anhaltend Phase mit niedrigen Zinsen würde ein Drittel der Unternehmen in einigen Jahren in erhebliche Schwierigkeiten geraten. Davor hat die Bundesbank schon im vergangenen Jahr gewarnt. Jetzt will die Koalition der Branche helfen. „Denen wird nichts gegeben“, versichert der Staatssekretär im Finanzministerium, Michael Meister, trotzdem.

 

Den Unternehmen, deren Aktionären und einem Teil der Kunden wird etwas abverlangt. Die Versicherer müssen ihre finanzielle Entwicklung künftig über längere Zeiträume prognostizieren und die Vorausschau den Aufsichtsbehörden übermitteln. Die Kontrolleure können dann bei Bedarf frühzeitig eingreifen. Empfindlich dürfte die Branche eine weitere Neuregelung treffen, wenn das Paket wie gewünscht verabschiedet werden sollte. Denn die Lebensversicherungen dürfen ihre Gewinne nicht mehr an die Eigentümer als Dividende ausschütten, wenn sie ihre garantierten Leistungen nicht mehr erwirtschaften können. „Es ist davon auszugehen, dass eine Reihe Unternehmen keine Dividende mehr ausschütten werden“, glaubt Meister.

 

Der Koalition ist die Sicherung der Lebensversicherungsleistungen im Zweifel wichtiger als das Wohl einzelner Anbieter. „Das wird bei den Betroffenen nicht zu Beifallsstürmen führen“, vermutet der Staatssekretär. Denn auch an weiteren Stellschrauben wird noch gedreht. Die Versicherten sollen stärker an der Überschussbeteiligung teilhaben. Ausgeschüttet werden sollen künftig 90 Prozent statt bisher 75 Prozent der Überschüsse. Das entspricht, wenn man das Jahr 2012 zum Maßstab nimmt, 800 Millionen Euro mehr für die Kunden.

 

Schließlich drängt die Koalition auf geringere Abschlusskosten bei der Lebensversicherer. Um dies zu erreichen, wird die Bilanzierung dieses Postens begrenzt. Hohe Abschlusskosten bringen den Versicherungen Nachteile. Sie werden zusehen, dass sie diese senken. Bei den Provisionen wird es künftig transparenter zugehen. Die Anbieter müssen beim Vertragsabschluss in Euro und Cent die Provision für den Vermittler der Police angeben. Das erleichtert Kunden den Vergleich verschiedener Offerten. Schließlich wird der Garantiezins erneut gesenkt, um einen halben Prozentpunkt auf dann 1,25 Prozent. Die Anlage rentiert sich für Verbraucher damit kaum noch. Das nimmt die Bundesregierung in Kauf.

 

Aber auch ein Teil der Kunden wird für die Stabilisierung der Finanzen von Versicherungen zur Kasse gebeten. Dabei geht es um die Bewertungsreserven der Unternehmen, die momentan bei auslaufenden oder gekündigten Verträgen den Kunden zur Hälfte gutgeschrieben werden. Von den derzeit noch 95 Millionen Verträgen enden jährlich etwa sieben Millionen. Diese Reserven sind momentan extrem hoch, weil viele von den Unternehmen gehaltenen Anleihen auf dem Papier durch das niedrige Zinsniveau im Kurs gestiegen sind. Die Differenz zum tatsächlichen Wert ist die Bewertungsreserve. Daran müssen die Kunden beteiligt werden, obwohl diese Anleihen gar nicht verkauft werden und zum Fälligkeitstermin hin wieder an Wert verlieren. Die Auszahlungen heute gehen damit zu Lasten der Leistungen für die Verträge, die später enden. Hier will Meister für eine gerechtere Verteilung unter den Versicherten sorgen.

 

Das kann für einzelne Kunden einen fünfstelligen Verlust bedeuten. Ob es sich jedoch lohnt, deshalb noch schnell seine Police zu kündigen, ist zweifelhaft. Denn die Kündigung würde frühestens Ende April wirksam werden. Sollte die Bundesregierung schon vorher einen Gesetzentwurf verabschieden und dies an einen Stichtag für die Wirkung koppeln, wäre womöglich die Beteiligung an den Reserven futsch, sondern auch die an der zum Vertragsschluss fälligen Überschussbeteiligung.

 

 

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