Es könnte der letzte GDL-Streik werden

Am Freitag setzen sich Bahn und Lokführer noch einmal zusammen. Die geplante Tarifeinheit würde den Spartengewerkschaften den Boden entziehen.

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Von Wolfgang Mulke

07. Jan. 2014 –

Wirtschaft / Tarife / Mulke

Am kommenden Freitag wird sich entscheiden, ob sich die Bahnfahrer auf Streiks im Schienenverkehr einstellen müssen. In Frankfurt will sich die Gewerkschaft der Lokführer (GDL) ein vorerst letztes Mal mit dem Personalvorstand der Deutschen Bahn zu einem klärenden Gespräch treffen. Es geht um einen neuen Tarifvertrag, der die Lokführer unter anderem bei Berufsunfähigkeit absichern soll. Die Verhandlungen dazu sind gescheitert. Nun setzt die GDL den Arbeitgebern ein Ultimatum. Ohne ein neues Angebot, so droht deren Chef Claus Weselsky, werde ab dem 15. Januar gestreikt.

 

Wann und in welchem Ausmaß die schon häufig kampfesfreudige Gewerkschaft zum Arbeitskampf aufruft, hält sie sich offen. „Wir werden nicht gleich die ganz Republik lahm legen“, versichert Sprecherin Gerda Seibert. Bei der letzten Streikwelle konzentrierten sich die Lokführer zunächst auf die wichtigen Knotenpunkte im Bahnverkehr. An Kreuzungen wie Frankfurt oder Berlin reichen wenige Stunden Streik, um den Verkehr für viele Stunden aus dem Takt zu bringen.

 

Es geht der GDL vor allem um zwei strittige Punkte. Sie will einerseits erreichen, dass Lokführer, die aus gesundheitlichen Gründen keine Züge mehr führen können, zu gleichen Bedingungen weiter beschäftigt werden. Und sie will verhindern, dass ihre Mitglieder an andere Standorte versetzt werden können, wenn die Bahn zum Beispiel einen Auftrag im Nahverkehr verliert. Die Arbeitgeber verstehen die Forderung nicht recht, weil sie ihrer Ansicht nach bereits ein besseres Angebot vorgelegt haben. „Wir wollen am Freitag erst einmal schauen, was die GDL will“, sagt eine Unternehmenssprecherin.

 

Es könnte der letzte große Arbeitskampf Weselskys werden. Denn die Koalition will die Tarifeinheit im Betrieb gesetzlich vorschreiben. Das bedeutet, dass Arbeitgeber nur noch mit der Gewerkschaft verhandeln müssen, die am meisten Beschäftigte vertritt. Das wäre das Ende der Macht kleiner Spartengewerkschaften wie der GDL, die 13.000 Lokführer unter den 170.000 Tarifbeschäftigten der Bahn vertritt. Dann hätte die weitaus größere Eisenbahnverkehrsgewerkschaft (EVG) am Verhandlungstisch das Sagen.

 

Die Tarifeinheit steht schon lange auf dem Wunschzettel vieler Politiker, aber auch der Arbeitgeber und des DGB. Schon 2010 haben letztere dafür einen gemeinsamen Vorschlag vorgelegt. Die Motive der Unternehmen liegen auf der Hand. Sie müssen nur noch mit einer Tarifpartei verhandeln und sind der Gefahr empfindlich teurer Arbeitskämpfe nicht mehr im gleichen Maße ausgesetzt wie bisher. Beispiele für die Durchsetzungsfähigkeit der Kleingewerkschaften gab es in der Vergangenheit mehrfach. Die Lokführer setzten 2008 satte elf Prozent mehr Lohn durch. Die Pilotenvereinigung Cockpit und die im Marburger Bund vertretenen Krankenhausärzte konnten ebenfalls ungewöhnlich hohe Lohnsteigerungen erreichen. Allen Berufsgruppen ist gemeinsam, dass sie für den Betrieb unverzichtbar sind und Ausstände ihre Arbeitgeber besonders hart treffen.

 

Die Bundesregierung will den Einzelfallverhandlungen nun einen Riegel vorschieben. Das ist gar nicht so einfach. Denn das Grundgesetz sieht die Tarifautonomie vor. Auch die mächtige Einzelgewerkschaft Verdi ist mittlerweile von der Linie des DGB abgewichen und ist gegen eine gesetzliche Regelung. Diese könnte zum Beispiel dazu führen, dass Verdi bei der Lufthansa Tarifverträge für Piloten oder Kabinenpersonal aushandeln muss, die gar keine Mitglieder der Gewerkschaft sind. „Wir sind gegen eine gesetzliche Regelung“, betont ein Verdi-Sprecher deshalb, „aber für eine politisch gewollte Tarifeinheit.“ Wie diese funktioniert, zeigt der öffentliche Dienst. Hier bilden Verdi und der Deutsche Beamtenbund eine Tarifunion, die gemeinsam mit den Arbeitgebern verhandelt. Nun warten die Experten in den Gewerkschaften und bei den Arbeitgebern auf einen Gesetzentwurf. Die GDL will eine verordnete Tarifeinheit nicht hinnehmen und vor das Verfassungsgericht ziehen.

 

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