EU entdeckt die soziale Marktwirtschaft

Kontrollen für Banken, Sanktionen gegen Steueroasen – Europas Regierungen finden klar Worte gegen unverantwortliche Investoren

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Von Hannes Koch

22. Feb. 2009 –

Wie soll die Kontrolle der Privatwirtschaft durch die Politik aussehen? Diese einfache Frage muss beantworten, wer eine Wiederholung der aktuellen Finanzkrise verhindern will. Bei der Suche nach einer Lösung kamen Bundeskanzlerin Angela Merkel, Großbritanniens Premierminister Gordon Brown, der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy und die Regierungschef anderer wichtiger EU-Länder am Sonntag einige Schritte voran.


Um den G20-Gipfel der großen Industrie- und Schwellenländer Anfang April in London vorzubereiten, trafen sich die europäischen Regierungen vorab in Berlin. Nach der Runde im Kanzleramt äußerte sich Bundesfinanzminister Peer Steinbrück zufrieden, dass man einen gemeinsamen Versuch zur stärkeren Einhegung der Finanzmärkte unternehmen wolle.


Gegen die „direkte Regulierung“ der risikoreichen Hedgefonds mochte gestern nicht einmal mehr Gordon Brown seine Stimme erheben, obwohl die britischen Regierungen Staatsinterventionen in die Wirtschaft traditionell kritisch gegenüberstehen. Freundlich pries Brown Merkels Idee, beim Londoner Gipfel unter anderem den USA und China eine „Charta für nachhaltiges Wirtschaften“ vorzuschlagen. Merkel schwebt vor, die Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft weltweit zu kodifizieren. Premier Brown fand dafür die Formulierung „Global New Deal“.


Bei der Kontrolle der transnational tätigen Banken mahnten die Regierungschef und Finanzminister mehr Eile an. Für die meisten der 35 wichtigsten globalen Finanzhäuser sind mittlerweile neue Aufsichtsgremien geschaffen worden. In Deutschland werden nun die Deutsche Bank und die Allianz AG von Kontrolleuren unter anderem aus Großbritannien und den USA regelmäßig überprüft. In manchen anderen Staaten ist dieser Prozess allerdings noch nicht so weit fortgeschritten.


Die neuen Aufsichtskollegien sind ein guter Anfang – aber mehr auch nicht. Während die Deutsche Bank und die Allianz künftig unter Kontrolle stehen, hat man beispielsweise für die viel stärker von der Krise betroffenen deutschen Institute Commerzbank und Hypo Real Estate solche Kontrollgremien nicht vorgesehen. Und über eine gemeinsame globale oder auch nur europäische Bankenaufsicht wurde am Sonntag nicht einmal gesprochen. Die Hauptlast der Kontrolle werden auch künftig die nationalen Behörden tragen müssen – in Deutschland die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und die Bundesbank. Diesen allerdings fehlen oft die Informationen, um das Treiben der einheimischen Institute im Ausland zu beurteilen.


Was eine globale Finanzaufsicht betrifft, waren sich die Regierungschef und Finanzminister grundsätzlich einig, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und dem Forum für Finanzstabilität (FSF) mehr Kompetenzen zu übertragen. Welche das genau sein sollen, muss noch beschlossen werden. Damit die großen Schwellenländer diesen Prozess mittragen, haben die Industriestaaten eingewilligt, China und Indien ins FSF aufzunehmen. Im Forum sitzen die Finanzministerien, Notenbanken und Aufsichtsbehörden der Mitgliedsländer. Der IWF soll Gordon Brown zufolge bis zu 500 Milliarden Dollar zusätzlich erhalten, um osteuropäischen und anderen Staaten zu helfen, deren Währungsstabilität durch die Krise bedroht ist.


Besonders erwähnte Merkel, dass bis Anfang April eine Liste erstellt werden müsse, die Steueroasen verzeichne, in denen intransparente Geschäfte abliefen. Um solche Territorien und Institutionen zur Kooperation zu bewegen, sprach sich Merkel für neue „Sanktionen“ aus. Diese Ankündigung passt zur Absicht der versammelten Regierungen, im internationalen Finanzsystem künftig keine „blinden Flecken“ mehr zu dulden. Weder Territorien, noch Banken oder Investoren soll es gelingen, sich der staatlichen Kontrolle zu entziehen.

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