Expertin für Margarine und Umwelt

SPD-Politikerin und bisherige Schatzmeisterin der Partei, Barbara Hendricks, wird Bundesumweltministerin. Sie muss kämpfen.

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Von Hanna Gersmann

16. Dez. 2013 –

Sie kennt sich aus „mit Margarine“. Barbara Hendricks, 61, übernimmt das Umweltressort. Wer mit Leuten aus ihrem Umkreis redet, sich über die SPD-Frau ein Bild verschaffen will, wird immer wieder auf ihre Doktorarbeit gestoßen, 215 Seiten dick, der Titel: „Die Entwicklung der Margarine-Industrie am unteren Niederrhein.“

Die Leute, die die Margarine ins Spiel bringen, meinen das nicht despektierlich. Im Gegenteil, die meisten halten die promovierte Historikerin für „klug“, „solide“, „seriös“. Schroff kann die Frau aus dem nordrhein-westfälischen Kleve manchmal aber schon sein.

Im Parlament beschimpfte sie mal einen FDP-Politiker als „Eierkrauler“. In einer Talkshow nannte sie Christian Wulff schon vor Jahren „selbstgerecht, dick, fett und bräsig“. Das Spektakuläre, Glamouröse hat sie nie gesucht, die Macht schon.

In den letztem Jahren kam in der SPD-Parteizentrale niemand an ihr vorbei. Das Mitgliedervotum? Der Wahlkampf? Die Feier zum 150. Geburtstag der Partei? Das kostet alles. Und Hendricks war die Schatzmeisterin der SPD. Sie herrschte nicht nur über die Finanzen der an Mitgliederschwund leidenden Partei, sondern auch über die SPD-Firmenbeteiligungen.

Diese Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft DDVG ist einzigartig, zu ihr gehören Zeitungen, Buchverlage, Druckereien, Reisefirmen. Schatzmeisterin zu sein, das ist in der SPD mit mehr Macht verbunden als in jeder anderen Partei. Hendricks blieb dabei im Hintergrund. Uneitel, aber mit klarer Meinung.

Bestes Beispiel: SPD-Parteitag, Leipzig, November diesen Jahres. Hendricks stellt sich zur Wiederwahl, tritt ans Mikro: „Ich bin die, die für die Zahlen und das Geld zuständig ist.“ Keine Schnörkel, kein Firlefanz. Kein Laut und Leise. Tonart: sachlich.

Dafür haben es die Sätze in sich: „Auch auf die Gefahr hin, dass ich meinem eigenen Wahlergebnis schade“, sagt sie, „so hättet ihr mit Andrea nicht umgehen sollen.“ Die Delegierten hatten kurz zuvor Generalsekretärin Andrea Nahles regelrecht abgestraft. Hendricks wurde trotzdem mit respektablem Ergebnis gewählt. Sie ist schon eine Ewigkeit dabei, seit 1972, da trat sie wegen Brandts Ostpolitik in die Partei ein.

Nun wird sie zu kämpfen haben. Erstens: gegen den Verdacht aus internem Proporz ins Kabinett gehievt worden zu sein, als Quotenfrau auf dem NRW-Ticket. Und zweitens: gegen den Machtverlust des Umweltressorts.

Denn ihr Parteichef Sigmar Gabriel hat die Erneuerbaren Energien aus dem Umweltressort raus gerissen und zu sich, zur Wirtschaft geholt. Er ist für das große bundesweite Projekt Energiewende zuständig, nicht sie. Sie muss derweil nach einem Endlager fahnden, womit wenig zu gewinnen ist. Und das Kapitel Umwelt ist im schwarz-roten Koalitionsvertrag, nun ja, dünn.

Sie braucht eine kluge Strategie, um daraus mehr zu machen. In den nächsten Monaten wird sie Müll beschäftigen. Schwarz-rot will die gelbe Tonne, den gelben Sack befördern: es soll bundesweit eine sogenannte Wertstofftonne geben, in die dann nicht nur Verpackungen, sondern auch sonstiges Plastik und Metall gehören. Immerhin interessiert Müll seit jeher viele Leute. 2015 wird sie dann nach Paris reisen, wenn dort endlich ein weltweites Klimaabkommen verabschiedet werden soll. Das könnte sie feiern.

Ihre Chance liegt eher in einer Neuerung im Umweltressort. Hendricks bekommt vom Bau- und Verkehrsministerium die Abteilung Stadtentwicklung und Wohnen. Fast ein Drittel aller Kohlendioxid-Emissionen fallen im Gebäudebereich an. En Detail sind die Zuständigkeiten noch nicht klar. Macht Hendricks sich aber zu eigen, dass alte Heizkessel ausgetauscht, Fenster gedämmt werden, bewegt sie einen echten Brocken.

Schon die Vorgänger von Hendricks und die Kanzlerin hielten es für wichtig, so Energie zu sparen. Die Energiewende ist ohne Energieeffizienz schließlich kaum zu machen. Es passierte aber nichts. Die Bundesländer blockierten. Es ging ums Geld.

Hendricks gilt nicht als Frau mit großer Phantasie für neue Regulierungsvorschläge. Eher als gute Verwalterin. Mainstream. Die Agenda 2010, fand sie gut. Eichels Sparhaushalt auch. Aber sie kennt das politische Spiel. Mal Härte zeigen. Mal die Seele streicheln. Ein ehemaliger Mitarbeiter sagt das so: „Sie kann schnell rausfiltern, welches Anliegen berechtigt ist und welches nicht.“ Sie höre auf ihre Experten im Haus. Jahrelang hat sie so die Berliner Steuerpolitik verteidigt.

Die Absenkung des Spitzensteuersatzes. Aber auch die rot-grüne Ökosteuer. Lafontaine holte sie 1998 als parlamentarische Staatssekretärin ins Finanzministerium. Sie blieb als Eichel kam. Sie blieb als Steinbrück kam. Das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft verlieh ihr 2008 den Adam-Smith-Preis für marktwirtschaftliche Umweltpolitik.

Damian Ludewig ist der Geschäftsführer des Forums. Er sagt: „Den Finanzblick zu haben, kann nicht schaden.“ Er hält viel von Umweltpolitik durch Preissignale, durch Ökosteuern, Ressourcensteuern und so was. Da könne es helfen, wenn eine kommt, „die nicht gleich als Öko abgestempelt wird“. Das galt allerdings auch schon für die Umweltchefs und -chefin vor Hendricks.


Kasten: Leben
Barbara Hendricks, 61, geboren in Kleve an der holländisch Grenze, tritt 1972 in die SPD ein, obwohl der Niederrhein tiefschwarz ist.
Mit 26 wird sie Pressereferentin der SPD-Bundestagsfraktion. Sie schreibt Texte für Willy Brandt, erlebt Herbert Wehner und Helmut Schmidt. Mit 29 wird sie Sprecherin des nordrhein-westfälischen Finanzministers Diether Posser. Von ihm habe sie am meisten gelernt, sagt sie. Nach gut einem Jahrzehnt in Düsseldorf geht sie als Abgeordnete nach Bonn zurück. Sie zieht immer über die Liste ein, auch über die Frauenquote. Ihr Wahlkreis am Niederrhein geht stets an CDU-Mann Ronald Pofalla. 1998 holt Oskar Lafontaine sie dann als parlamentarische Staatssekretärin in Bundesfinanzministerium. Sie behält den Posten bis 2007. Dann wird sie Schatzmeisterin.
Sie sagt: Es gibt zwei Institutionen, aus denen sie nie austreten wird: Die SPD und die katholische Kirche.
Sie ist auch Mitglied in der IG BCE, der Gewerkschaft der Branchen Bergbau, Chemie und Energie, die allesamt keine glühenden Umweltschützer sind.

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