• Hermann-Josef Tenhagen

"Finanzberatung muss Geld kosten"

Privatanleger verlieren in der Finanzkrise Milliarden Euro. Die Anleger schützen will Verbraucherministerin Ilse Aigner mit einem neuen Gesetz zur besseren Beratung. "Sinnvoll, aber nicht ausreichend", sagt Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur der Zeitsc

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Von Hannes Koch

09. Mär. 2009 –

Hannes Koch: In der gegenwärtigen Finanzkrise verlieren viele Bundesbürger wieder viel Geld. Das Platzen der New-Economy-Blase vor acht Jahren war ihnen anscheinend keine Lehre. Warum lernen die Privatanleger nicht aus ihren Fehlern?

 

Hermann-Josef Tenhagen: Viele Privatanleger haben durchaus dazugelernt. Sie sind nicht mehr so stark im Aktienmarkt unterwegs. Und die, die dort angelegt haben, lassen sich durch Verluste nicht so überraschen.

 

Koch: Aber die Verluste sind doch riesig. Auch deutsche Aktien könnten ihren Tiefstand von 2003 bald erneut erreichen...

 

Tenhagen: ... und sich dann auch wieder erholen. Jenseits der aktuellen Krise wissen die Privatanleger inzwischen, dass Schwankungen der Aktienwerte dazu gehören. Erschüttert sind viele jedoch, weil ihre Hausbank ihnen Zertifikate verkaufte, die unwiederbringliche Verluste verursachten.

 

Koch: Sie denken an die Zertifikate der bankrotten US-Bank Lehman Brothers?

 

Tenhagen: Auch an diese. Doch hiesige Institute wie die Deutsche Bank oder die DZ-Bank sind ebenfalls ganz groß in das Geschäft mit den Zertifikaten eingestiegen. Und oft genug bekommen Kunden bei diesen Wetten ihren Einsatz jetzt zu großen Teilen nicht zurück.

 

Koch: Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) hat deshalb ein Gesetz vorgelegt, um die Beratung der Anleger durch die Banken zu verbessern. Reicht das?

 

Tenhagen: Das ist ein großer Schritt nach vorne. Der Gesetzentwurf enthält zwei wichtige Punkte. Erstens müssen die Bankangestellten künftig jedes Beratungsgespräch protokollieren und vom Kunden unterschreiben lassen. Dadurch erhalten die Privatanleger mehr Möglichkeiten, den Beratern Fehler nachzuweisen. Und zweitens wird die Haftung der Berater künftig erst nach zehn Jahren verjähren. Nach gegenwärtiger Rechtslage haben sie nach drei Jahren nichts mehr zu befürchten.

 

Koch: Was wäre ein Fehler, für den ich meinen Bankberater dann wirksamer belangen könnte? Tenhagen: Sie betonen im Beratungsgespräch beispielsweise, dass sie Geld sicher anlegen wollen, um es in zehn Jahren für das Studium Ihrer Kinder zu nutzen. Die Bank müsste Ihnen eigentlich risikoarme Anlageformen anbieten, etwa festverzinsliche Staatspapiere. Würde der Berater Ihnen dagegen verlustbringende Hebelzertifikate der höchsten Risikoklasse verkaufen, könnten Sie Ihn später eventuell verklagen.

 

Koch: Die Berater und Banken verdienen heute bestens an den Provisionen für die Produkte, die sie verkaufen. Ist das ein grundsätzlicher Interessenkonflikt, der einer guten Beratung entgegensteht?

 

Tenhagen: Allerdings. Und dazu sagt Verbraucherministerin Aigner in ihrem Gesetzentwurf leider nichts. Die Beratung über Geldanlagen und der Verkauf der Produkte müssten stärker voneinander getrennt werden. Die Banken und Finanzberater sollten verpflichtet werden, eigenständige Beratungsleistungen anzubieten, für die sie dann auch ein Honorar verlangen dürften.

 

Koch: Verdienen Banken nicht genug -- warum soll man auch noch für die Beratung über ihre Produkte bezahlen?

 

Tenhagen: Vernünftige, neutrale Beratung macht Arbeit. Heute finanzieren die Banken diese Arbeit über die Verkaufsprovisionen. Diese unglückliche Verbindung führt dazu, dass die Institute Produkte anpreisen, die hohe Provisionen versprechen, aber nicht die geeignetsten sind, um die Bedürfnisse der Kunden zu erfüllen. Da werden systematisch falsche betriebswirtschaftliche Anreize gesetzt.

 

Koch: Meinen Sie, Privatkunden wären bereit, für die Beratung zu zahlen? Tenhagen: Mehr bezahlen müssen sie nicht. Die Provisionen, in denen die Kosten heute versteckt sind, könnten sinken. Für eine Beratungsleistung, die etwas kostet, kann man Qualität verlangen. Eine gute Dienstleistung trägt ein Preisschild. Das ist ganz normal. Beim Steuerberater funktioniert es ja auch so. Gegen Honorar lässt man sich beraten und entscheidet dann, welche Dienstleistung man in Anspruch nehmen möchte.

 

Hermann-Josef Tenhagen (46) leitet die Redaktion der anzeigenfreien Zeitschrift Finanztest in Berlin, die sich durch Abonnements, Kioskverkauf und öffentliche Mittel finanziert. Sie wird herausgegeben von der Stiftung Warentest.

 

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