Finanzierung der Zuwanderung wird nicht einfacher

2016 muss Finanzminister Schäuble mit knapp fünf Milliarden Euro weniger auskommen, sagt die Steuerschätzung

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Von Hannes Koch

05. Nov. 2015 –

Die Finanzierung der Zuwanderung nach Deutschland wird im nächsten Jahr schwieriger, weil Bund, Länder und Kommunen mit insgesamt etwas geringeren Steuereinnahmen rechnen müssen. Das ist eine Folge der neuen Steuerschätzung, die Wolfgang Schäuble am Donnerstag veröffentlichte. Der CDU-Bundesfinanzminister betonte allerdings, dass „der deutsche Staat nach heutigem Stand auch 2016 ohne neue Schulden auskommen“ kann.

 

Experten von Bund, Ländern und Forschungsinstituten schätzen zweimal pro Jahr die künftigen Steuereinnahmen. Während ihrer November-Sitzung kamen sie nun zu dem Ergebnis, dass die erwarteten Gesamteinnahmen im Vergleich zur vergangenen Schätzung im Mai 2015 zurückgehen. 2016 muss Finanzminister Schäuble (CDU) mit 4,9 Milliarden Euro weniger auskommen als prognostiziert. Die Kommunen erhalten 1,9 Milliarden Euro weniger. Die EU muss auf 1,7 Milliarden aus Deutschland verzichten. Die Bundesländer dagegen können um 3,4 Milliarden Euro höhere Einnahmen erwarten. Unter dem Strich beträgt das Minus 5,2 Milliarden Euro.

 

Die Ursache liegt vor allem darin, dass die große Koalition den steuerlichen Grundfreibetrag, den Kinderfreibetrag und das Kindergeld erhöhen will. Etwa drei Milliarden Euro dieser Mindereinnahmen sind im Haushaltsentwurf 2016 allerdings bereits verbucht. Die zusätzliche Finanzlücke im Ergebnis der Steuerschätzung liegt also nur bei etwa zwei Milliarden Euro.

 

Dieser Fehlbetrag wird im kommenden Jahr jedoch vermutlich dadurch steigen, dass Bund, Länder und Gemeinden mehr Geld für die Finanzierung der Flüchtlinge ausgeben müssen. Der Deutsche Städtetag rechnet mit einer Finanzlücke bei Ländern und Kommunen von bis zu 5,5 Milliarden Euro, wenn 2016 durchschnittlich 1,2 Millionen Zuwanderer im Asylverfahren stecken. Falls der Bund diese Mittel aufbringen wollte, betrüge der zusätzliche Finanzbedarf inklusive der schlechteren Steuerschätzung etwa 7,5 Milliarden Euro.

 

Woher nehmen? Neue Schulden schließt die Union einstweilen aus. „Auch nach der Steuerschätzung hält die Union an der schwarzen Null fest“, sagte der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Eckhardt Rehberg. Der ausgeglichene Bundeshaushalt ist das große finanzpolitische Projekt von CDU und CSU. Wobei Schäuble schon einmal angedeutet hat, dass er daraus keine Ideologie machen will.

 

Steuererhöhungen kommen für die Union ebenfalls nicht in Frage. Besteht also nur die Möglichkeit, die Lücke durch Einsparungen im Bundeshaushalt zu decken. Oft bleiben am Ende des Jahres ein paar Milliarden Euro übrig, weil sie nicht verbraucht werden. Außerdem könnte es sein, dass die Zinsausgaben für die Bundesschuld niedriger ausfallen. Selbst bei den Grünen heißt es, eine Lücke von mehreren Milliarden Euro im Bundeshaushalt sei „beherrschbar“.

 

Im Übrigen kann Schäuble darauf verweisen, dass die Bundesländer nächstes Jahr viel besser davonkommen als erwartet. Ihre prognostizierten Mehreinnahmen von 3,4 Milliarden Euro werden sie vermutlich mindestens zum Teil dafür verwenden, die Zuwanderung zu finanzieren. Ähnlich sieht es bei vielen Städten und Gemeinden aus. Gerade Kommunen in den prosperierenden Ländern Bayern und Baden-Württemberg sind oft im Plus und können höhere Ausgaben für Flüchtlinge selbst finanzieren. Da müsse der Bund gar nicht helfen, heißt es bei der Unionsfraktion im Bundestag. Dieses Argument gilt freilich nicht für die überschuldeten Städte, die man beispielsweise in Nordrhein-Westfalen findet.

 

Nach dem Minus 2016 werden die Einnahmen laut Steuerschätzung zwischen 2017 und 2019 weiter steigen, auch im Vergleich zur vergangenen Prognose im Mai. Während die Steuereinnahmen 2015 bei 671 Milliarden Euro liegen, sollen sie bis 2019 auf 770 Milliarden wachsen.

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