Finanzmarktkrise bremst die Bahn aus

Hintergrund

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Von Wolfgang Mulke

10. Okt. 2008 –

Der 27. Oktober wäre für Bahnchef Hartmut Mehdorn ein Höhepunkt der Karriere werden. Mit dem Läuten der Glocke sollte auf dem Kurszettel der Frankfurter Börse erstmals die DB Mobility Logistics (DB ML) aufgeführt werden. Mit dem Börsengang wäre die 1994 eingeläutete Bahnreform worden. Die Staatskasse hätte Milliarden eingenommen. Doch es bleibt beim hätte, sollte, wäre. Bundesregierung und Bahn haben die Pläne am Donnerstag vorerst auf Eis gelegt. Der Kurssturz an den Weltbörsen in dieser Woche hat zur Notbremsung geführt. Wie der neue Fahrplan an die Börse aussieht, ist derzeit noch völlig offen.

 

Der politische Druck wurde in den letzten Tagen wohl zu groß. Die Verkehrsminister der Länder forderten eine Verschiebung, weil sie zu geringe Erlöse befürchteten. Auch Finanzminister Peer Steinbrück beschlichen mehr und mehr Zweifel. Denn momentan werden auch gute Unternehmen an den Aktienmärkten gering geschätzt. Finanzstarke Investoren halten sich zurück. „Die lecken sich die Wunden“, heißt es in Bahnkreisen. Nur Schnäppchenjäger steigen ein. Als Sonderangebot will sich die Bahn aber nicht verscherbeln lassen. Auch der Bund denkt nicht an einen Notverkauf des Tafelsilbers. „Wir haben nichts zu verschenken“, stellten damit befasste Abgeordnete fest. Auch Mehdorn hatte einen Teilverkauf unter Wert ausgeschlossen.

 

Der Börsengang ist offiziell nicht abgeblasen, sondern nur verschoben worden. Theoretisch könnte die Bahn nur wenige Wochen später als geplant einen zweiten Anlauf nehmen. Doch dafür müsste endlich Stabilität in die Finanzmärkte zurückkehren. Auf eine schnelle und dauerhafte Erholung deutet wenig hin. Die Reisepläne des Vorstands für die kommenden Wochen bleiben aber bestehen. Rund um den Erdball suchen die Manager das Gespräch mit Pensionsfonds und staatlichen Geldverwaltern. Dabei soll die Bereitschaft ausgelotet werden, einen anständigen Preis für die Bahnaktie zu bezahlen. Erst wenn das Interesse groß genug ist, wird ein zweiter Versuch angestrebt.

 

Wenigstens 4,5 Milliarden Euro sollen 24,9 Prozent der Anteile an der DB ML einbringen. Diese Untergrenze ist schon weit von jenen acht Milliarden Euro entfernt, die Verkehrsminister Tiefensee einst versprach. Die Mehrheit der Aktien will der Bund behalten. Die Einnahmen sollten gedrittelt werden. Ein Teil war für die Bahn vorgesehen, damit sie weiter expandieren kann. Einen Teil beansprucht der Finanzminister für sich. Mit dem Rest sollen Bahnhöfe modernisiert und der Lärmschutz an den Bahngleisen verbessert werden.

 

Ohne den jüngsten Crash wäre das Vorhaben wohl reibungslos über die Bühne gegangen. „Wir haben eine positive Resonanz der Investoren erhalten“, sagte Mehdorn. Die Bahn ist eine vergleichsweise sichere Geldanlage für professionelle Investoren. Die Nahverkehrsumsätze sind vertraglich für viele Jahre abgesichert, im Fernverkehr winken langfristig Zuwächse, weil das Autofahren immer teurer wird. Auch der Güterverkehr und die Logistik werden von konjunkturellen Dellen abgesehen immer stärker nachgefragt. Nur im Moment will halt niemand das Papier zum geforderten Preis. Das müssen die beteiligten Investmentbanken Anfang dieser Woche festgestellt haben. Die Absage war danach nur noch Formsache.

 

Vorstand und Finanzminister glauben zumindest nach außen hin weiter an den Börsengang. Tatsächlich ist jedoch das gesamte Projekt bedroht, wenn sich die Lage nur langsam entspannt. Irgendwann im nächsten Frühjahr startet der Wahlkampf. In den Monaten vor der Bundestagswahl ist der Sprung auf das Parkett unwahrscheinlich. Schon fordern die Gegner der Privatisierung, die Pläne ganz aufzugeben. Die Zeit läuft für sie.

 

Die Bahn wird ihr normales Geschäft auch ohne die Milliarden aus dem Börsengang wie gewohnt betreiben. Das Kapital werde mittelfristig benötigt, heißt es in der Zentrale. Allerdings könnten die bereits ausgearbeiteten Investitionspläne für Gleisanlagen und Bahnhöfe unter der neuen Lage leiden. Denn für die Infrastruktur fehlt nun das Geld.

 

 

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