• Textilfabrik in Bangladesch. Foto: Hannes Koch

Firmen erbitten Gesetz

Für ihr Lieferkettengesetz erhalten Entwicklungsminister Gerd Müller und Arbeitsminister Hubertus Heil Unterstützung von Konzernen wie BMW, Daimler und Nestlé. Höhere Sozial- und Umweltstandards sollen für alle Zulieferer gelten.

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Von Hannes Koch

04. Mär. 2020 –

Wirtschaftsverbände wie BDI und BDA mauern noch. Doch große Unternehmen fordern jetzt ein Lieferkettengesetz, das die weltweiten Arbeits- und Umweltbedingungen verbessern soll. Das Positionspapier unter anderem von Adidas, BMW, Bayer, Daimler, Deichmann, H&M, Mondel?z, Nestlé und Philips liegt dieser Zeitung vor. Darin sprechen sich die Firmen „grundsätzlich für eine hinreichend klare und praktisch umsetzbare EU-weite Rahmenordnung aus“.

Es geht um Probleme wie diese: Die Beschäftigten in den Fabriken Asiens bekommen für das Nähen der T-Shirts, Jeans und Sportschuhe, die in reichen Staaten verkauft werden, oft viel zu niedrige Löhne. Der Nahrungsmittelkonzern Nestlé musste sich mit dem Vorwurf der Kinderarbeit auf Kakaoplantagen in Westafrika auseinandersetzen. Und Autohersteller haben Probleme mit Rohstoffen wie Leder und Metall, die aus ökologisch und sozial bedenklicher Produktion stammen. Das Papier der Unternehmen ist in Zusammenarbeit mit der Hamburger Stiftung für Wirtschaftsethik und dem kirchlich geförderten Südwind-Institut in Bonn entstanden.

Es liefert Unterstützung für Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), die am Entwurf eines Lieferkettengesetzes arbeiten. Verzögern wollen diesen Prozess der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und die Vereinigung der Arbeitgeber (BDA). Erst an diesem Montag veröffentlichte der BDI eine entsprechende Erklärung.

„Nestlé begrüßt eine gesetzliche Regulierung zur Definition der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten für Unternehmen“, sagte dagegen Achim Drewes, Cheflobbyist des Konzerns in Deutschland. Auch der zunächst nationale Ansatz, den Müller und Heil vorantreiben, sei in Ordnung. „Wir können mit einer nationalen Regelung leben - in der Hoffnung, dass sie Dynamik in die Debatten der EU bringt“, so Drewes. „Dabei ist eine Europa-weite Regulierung unser zentrales Anliegen.“

Solche Äußerungen mögen paradox erscheinen. Warum bitten Unternehmen um Regulierung durch den Staat? Eine Antwort: Firmen wie Nestlé haben selbst schon versucht, die Arbeitsbedingungen verbessern, weil sie beispielsweise Kinderarbeit als wirtschaftliches, juristisches und Image-Risiko betrachten. Die Arbeit am Fortschritt verursacht ihnen Kosten, die sich manche Konkurrenten, die weitermachen wie früher, jedoch sparen. Gäbe es dagegen ein deutsches oder europäisches Lieferkettengesetz, müssten es alle Firmen anwenden. „Ein derartiges Gesetz würde die Kostennachteile der Unternehmen reduzieren, die schon höhere menschenrechtliche Standards umsetzen“, sagte Drewes. Eine kooperative Haltung gegenüber der Regierung kann außerdem Einflussmöglichkeiten eröffnen.

Geht es nach den beteiligten Konzernen, soll beispielsweise geregelt werden, welche ihrer Zulieferer sie kontrollieren müssen – nur die direkten Lieferanten oder auch die Hersteller, die diesen die Vorprodukte verkaufen? Die Löhne und Arbeitsbedingungen, die etwa in einer Tafel Schokolade stecken, bis zum Kakaobauern in der Elfenbeinküste zurückzuverfolgen, ist kompliziert. Außerdem geht es um Maßstäbe, welche Bezahlung in verschiedenen Ländern dort das Existenzminimum deckt.

Ob Heil und Müller sich mit ihrer Initiative durchsetzen, ist unklar. In der Regierungskoalition geht es hin und her. Hermann Gröhe, Vizechef der Unionsfraktion im Bundestag, sprach sich unlängst dafür aus. Der CDU-Wirtschaftsrat warnte dagegen davor, der deutschen Wirtschaft zu schaden. Bereits Ende vergangenen Jahres forderten 42 Firmen, darunter viele kleine Händler, die Fairtrade-Produkte anbieten, ebenfalls ein Lieferkettengesetz.

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