Fitness für Firmen
Nach einem langen Boom zwischen 2010 und 2019 kränkelt die deutsche Wirtschaft nun. Was ist eigentlich los? Drei Probleme, drei Lösungsansätze.
09. Feb. 2024 –
Das Wachstum in Deutschland stagniert – mehr oder weniger. Zwar ist die hiesige Wirtschaft einigermaßen intakt aus der Corona-Krise herausgekommen, doch nun schränkt die Industrie ihre Produktion ein, wie das Statistische Bundesamt gerade wieder mitteilte. So stellen sich Fragen: Gibt es grundsätzliche Probleme, wo liegen sie? Und was ist zu tun – können beispielsweise niedrigere Steuern den Unternehmen helfen?
Problem 1: Mehr Kosten, weniger Nachfrage
Viele einheimische Firmen leiden unter gestiegenen Preisen. Wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine ist beispielsweise Energie zwischenzeitig deutlich teurer geworden. Hinzu kommt eine Inflation, die das Preisniveau insgesamt anhebt. Ein dritter Faktor sind höhere Zinsen, die die Zentralbanken festsetzen, um die Inflation zu drücken. Sie verteuern Investitionen in Modernisierung.
Die gestiegenen Kosten treffen andererseits auf eine schwächere Nachfrage – denn die Weltwirtschaft lief schon mal besser. Deutsche Unternehmen drückt das besonders. Exporte tragen durchschnittlich große Anteile zu ihren Umsätzen und Gewinnen bei. Zwischen höheren Ausgaben und gedämpfter Nachfrage steckt die heimische Wirtschaft damit in der Klemme. Das ist eine Erklärung dafür, warum kleine Betriebe, aber etwa auch Großunternehmen der Chemieindustrie jetzt weniger fertigen als vorher.
Lösung: Weniger Steuern
Wenn die Kosten zu stark steigen, kann der Staat zur Reduzierung beitragen, indem er die Steuern für Unternehmen verringert. Mit Hinweisen auf niedrigere Abgabensätze in anderen Staaten verlangen Union und FDP das seit langem. Neuerdings hat auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) eine gewisse Bereitschaft signalisiert. Doch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bremst. Eine Rolle dürfte dabei spielen, dass Steuersenkungen zunächst Einnahmeausfälle für die öffentlichen Haushalte verursachen. Ohnehin hat die Bundesregierung große Probleme, ihre Budgets für dieses und nächstes Jahr in die Balance zu bringen.
Problem 2: Zu wenige Investitionen
Zu den grundsätzlichen Probleme der hiesigen Wirtschaft gehört, dass das Wachstum des Produktionspotenzials im Vergleich zu früheren Jahrzehnten abnimmt. Stieg es in den Nullerjahren zum Beispiel um ein Prozent jährlich, beträgt das Plus jetzt nur ein halbes Prozent. Ein wesentlicher Grund dafür sind geringe Investitionen durch den Staat und die Unternehmen. „Viele aktuelle Studien weisen auf eine gesunkene Produktivität hin“, erklärt außerdem Ökonomin Almut Balleer vom RWI-Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung. Das heißt: Der technische Fortschritt und seine Umsetzung haben sich verlangsamt. Gleichzeitig steckt Deutschland in einem größeren Strukturwandel, auf den Professorin Hanna Hottenrott vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) hinweist. Alte Produkte wie Erdgas-Heizungen haben ihren Höhepunkt hinter sich, während die Verbreitung neuer, etwa der Wärmepumpen, noch am Anfang steht.
Lösung: Anreize für Innovationen
Forscherin Balleer sagt: „Investitionen von Unternehmen können durch staatliche Hilfe gefördert werden.“ Ein Mittel dafür seien „vorgezogene Abschreibungen“. In diesem Sinne hat die Ampelregierung ihr sogenanntes Wachstumschancengesetz auf den Weg gebracht. Unternehmen sollen Ausgaben für Modernisierungen schneller von der Steuer absetzen können, wodurch Investitionen attraktiver werden. Allerdings hängt das Gesetz jetzt in Verhandlungen zwischen Bundestag und Bundesrat fest – manche Bundesländer beklagen zu hohe Steuerausfälle.
Um die Investitionstätigkeit anzufachen, können auch gezielte Zuschüsse des Staates helfen. So fördert die Bundesregierung den Umstieg von Steinkohle auf Wasserstoff etwa in der Stahlproduktion, indem sie Unternehmen wie Thyssenkrupp, Salzgitter AG oder ArcelorMittal Milliarden Euro Subventionen zahlt.
Zu guten Rahmenbedingungen für Investitionen gehören im Übrigen effektive Genehmigungsverfahren. Während es bisher manchmal sieben Jahre dauerte, bis ein beantragtes Windrad gebaut wurde, sollen die Prozesse künftig schneller gehen. „Trotz der Versuche, staatliche Planungsverfahren zu vereinfachen, wird die Bürokratie eher langsamer“, sagt aber Alexander Kritikos, Ökonom beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. „Wir müssen die Verwaltung beschleunigen, indem wir sie digitalisieren und die Beschäftigten besser qualifizieren.“
Problem 3: Fehlende Arbeitskräfte
Hinzu kommt mittlerweile eine Abnahme des Arbeitsvolumens. Zwar steigt die Zahl der Erwerbspersonen immer noch, doch die Arbeitszeit pro Kopf sinkt. Und allmählich gehen die geburtenstarken Jahrgänge der 1960er Jahre in den Ruhestand. Gleichzeitig wandern zu wenige Leute nach Deutschland ein, um den Verlust auszugleichen. „Mittlerweile müssen manche Unternehmen ihre Tätigkeit auch deshalb einschränken, weil sie nicht genug Beschäftigte einstellen können“, sagt Alexander Kritikos.
Lösung: Bildung und Einwanderung
Der Ökonom empfiehlt: „Die Einwanderung von Arbeitskräften sollte zusätzlich erleichtert werden.“ ZEW-Forscherin Hottenrott mahnt „insbesondere Investitionen in Bildung und Weiterbildung“ an. Diese erscheinen dringend: 40 bis 60 Prozent der Beschäftigten müssten sich darauf einstellen, dass die sogenannte künstliche Intelligenz ihre Arbeitsplätze verändere, teilte der Internationale Währungsfonds kürzlich mit.