Frauen verdienen (fast nie) besser als Männer

Erzieherinnen bekommen mehr Geld als Erzieher, sagt eine neue Studie. Insgesamt aber nimmt der Einkommensrückstand von Frauen gegenüber Männern zu, je länger sie arbeiten

Teilen!

Von Hannes Koch

01. Okt. 2009 –

Zuerst die gute Nachricht: In einigen Berufen verdienen Frauen besser als Männer. Mit durchschnittlich 1.725 Euro erhält eine Vollzeit-Verkäuferin im Einzelhandel mit längerer Berufserfahrung 2,2 Prozent mehr Bruttolohn als ihr männlicher Kollege. Der bekommt nur 1.688 Euro. Einen ähnlichen relativen Vorteil genießen Erzieherinnnen gegenüber Erziehern. Dies sind seltene Beispiele dafür, dass Arbeitgeber kommunikative Fähigkeiten besonders honorieren, die traditionell Frauen zugeschrieben werden.


Wie aus einer neuen Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung im Auftrag von Familienministerin Ursula von der Leyen hervorgeht, sind dies allerdings Ausnahmen von der Regel. Die Forscherinnen haben 106.000 Personen online befragt. In 31 von 33 aufgeführten Berufen verdienen die Männer mehr, wenn sie die gleiche Arbeit machen.


Manchmal haben die Frauen zu Beginn ihrer Karriere noch bessere Karten. In den ersten drei Berufsjahren erhalten Maschinenbauingenieurinnen, Sozialpädagoginnen, Erzieherinnnen, Krankenschwestern und Einzelhandelskauffrauen teilweise bis zu knapp zehn Prozent mehr Lohn als Männer. Zwischen dem vierten und zehnten Berufsjahr verwandelt sich dieser Vorteil allerdings in einen Nachteil. Die Frauen fallen stark zurück, so dass sie schließlich bis zu 13 Prozent hinter den Männern liegen.


In der Regel allerdings verdienen schon männliche Berufsanfänger mehr als ihre Kolleginnen. Die Frauen bekommen zu Beginn ihrer Karriere durchschnittlich 18,7 Prozent weniger Geld. Bis zum zehnten Berufsjahr wächst der Abstand auf 21,8 Prozent. In einigen Berufen nimmt der Rückstand der Frauen freilich ab. Dazu gehören Redakteurinnen, Mathematikerinnen, Psychologinnen und Kellnerinnen.


Der Unterschied schwankt unter anderem von Branche zu Branche. Am geringsten ist er in der meist öffentlich organisierten Energie- und Wasserversorgung, am größten im Kredit- und Versicherungsgewerbe. Im Osten sind die Unterschiede aufgrund der dort ohnehin geringeren Verdienste kleiner als im Westen. In großen Unternehmen haben es Frauen schwerer als in kleinen, Einkommensrückstände mit der Zeit aufzuholen.


Der geschlechtsspezifische Nachteil lässt sich ungefähr zur Hälfte mit offenkundigen Faktoren erklären. Dazu gehört, dass viele Frauen sich Berufe aussuchen, die grundsätzlich schlechter bezahlt werden. Auch die Berufsunterbrechung durch Schwangerschaft und Kindererziehung macht sich bemerkbar. Doch diese Erklärungen reichen nicht. Hinzu kommen undefinierbare Nachteile, die Astrid Ziegler von der Hans-Böckler-Siftung schlicht als „Diskriminierung von Frauen im Berufsleben“ bezeichnet.


Um dem Missstand abzuhelfen, fordert die Stiftung die neue Bundesregierung auf, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zu verbessern. Der scheidende Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) hatte das vor, scheiterte aber an der Ablehnung der Union. Gegenwärtig können Frauen zwar vor Gericht gegen Ungleichbehandlung klagen. Aus Angst den Arbeitsplatz zu verlieren, nehmen aber nur wenige Betroffene dieses Recht in Anspruch. Die rot-grüne Bundesregierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte schon vor zehn Jahren ein umfassendes Gleichstellungsgesetz geplant, sich wegen der Gegenwehr der Wirtschaft schließlich jedoch mit einer freiwilligen Vereinbarung zwischen Verbänden und Bund zufrieden gegeben.


In anderen Staaten haben Frauen teilweise bessere Möglichkeiten, sich gegen Diskrminierung zu wehren. So existiert in der kanadischen Provinz Quebec ein rechtlicher Rahmen, den die Hans-Böckler-Stiftung für richtungsweisend hält. Unternehmen sind demnach verpflichtet, Lohndiskriminierung aktiv zu ermitteln und zu beseitigen. Angeblich hat das auch zu Fortschritten bei der Bezahlung von Frauen geführt. Allerdings: Insgesamt ist der Lohnunterschied kanadischer weiblicher Beschäftigter zu Männern ähnlich groß wie in Deutschland. Sie verdienen für vergleichbare Arbeit in beiden Ländern rund 23 Cent pro Euro weniger als Männer.


www.boeckler.de/pdf/p_ta_lohnspiegel_berufsanfaengerinnen.pdf

« Zurück | Nachrichten »