Für eine Handvoll Dollar
Die Lebenshaltungskosten in Europa klaffen kräftig auseinander. Weltweit lässt sich der Unterschied an einem Burger festmachen
24. Sep. 2021 –
Eine Liege am Strand von Rimini, Eis auf der Promenade von Deauville, eine Bratwurst am Genfer See – Urlaub in Italien, Frankreich und der Schweiz kann teuer werden. Das Leben in den Länder, so scheint es, kostet deutlich mehr als in Deutschland, selbst wenn der gefühlte Aufschlag für Urlaubsgebiete abgezogen wird. Doch das ist nicht überall so, wie frische Zahlen des Statistischen Bundesamtes Destatis zeigen.
Demnach ist das Leben in Frankreich nur vier Prozent teurer als in Deutschland, in Italien sogar neun Prozent günstiger. In der Schweiz allerdings trügen die Ausgaben im Urlaub nicht und das Gefühl, das Geld rinne einem durch die Finger. Im Vergleich zu Deutschland ist die Lebenshaltung der Eidgenossen 51 Prozent teurer. Besonders günstig lebt es sich den Zahlen nach in der Türkei, wo das Preisniveau nur einem Drittel des deutschen entspricht. Auch Bulgarien, Rumänien und Polen sind um die Hälfte günstiger als Deutschland.
Dabei fließen in die komplexen Berechnung die regionalen Warenkörbe, Inflation, Steuern und das Kaufverhalten in den jeweiligen europäischen Ländern ein. Wer also in die Schweiz zieht oder nach Ungarn müsste sich genauso verhalten, wie die Durchschnittseinwohner dort, um 51 Prozent mehr auszugeben oder 40 Prozent weniger – gesetzt, das deutsche Gehalt würde weitergezahlt. Denn für den Schweizer mit deutlich höheren Einkommen wirkt das Preisniveau nicht so hoch wie für Deutsche. Dort ist es eher umgekehrt: Deutschland gilt im Hochlohnland Schweiz als besonders billig. Ein Gefühl, das auch die Dänen haben, die gern zum Einkaufen über die Grenze nach Schleswig-Holstein haben, wo es große Einkaufszentren auf der grünen Wiese extra für die Nachbarn gibt.
Die Statistiker haben sich auch die Preise für einzelne Produkte angesehen, etwa alkoholische Getränke. Am teuersten ist es demnach, Wein und Bier in Skandinavien zu bestellen. In Island kosten solche Getränke 183 Prozent mehr als in Deutschland, In Norwegen sind es 171 Prozent. Deutlich billiger als in Deutschland ist Alkohol in Polen, Spanien, Bulgarien und Ungarn.
Bei den energiekosten gehört Deutschland zu den teuersten Ländern. In Dänemark sind die Preise 17 Prozent höher, in Italien 14 Prozent. Am wenigsten zahlen die Türken Energie kostet dort im Vergleich zu Deutschland nur ein Drittel. Überraschend: In der Schweiz ist Strom und Gas sechs Prozent günstiger als in Deutschland. Es ist der einzige Wert, bei dem die Deutschen mehr ausgeben müssen – sonst ist es in der Schweiz immer teurer. Bei Fleisch liegen die Preise sogar doppelt so hoch wie hierzulande.
Eine etwas einfachere Art festzustellen, wie teuer oder günstig es in einem anderen Land im Verhältnis zu Deutschland ist, ist der sogenannte Big-Mac-Index. Seit 1986 erhebt die britische Wochenzeitung die Preise der Cheeseburger-Variante des US-Fastfood-Riesen McDonalds weltweit in der jeweiligen Landeswährung und rechnet den Wert in Dollar um. Die Idee: Weil der Big Mac überall auf der Welt weitgehend gleich ist, zeigen die unterschiedlichen Preise an, wie sehr eine Währung im Vergleich zum Dollar über- oder unterbewertet ist – ein eher für Spezialisten interessantes Unterfangen. Was auch zu sehen ist und für jeden sofort verständlich: Wo die Lebenshaltung günstig oder teuer ist.
Wobei die Betrachtung des Fastfood-Produkts etwas sehr einseitig ist. Darauf weisen die Statistiker des Destatis hin. Zum einen ist der Burger nicht überall gleich. Zum anderen unterscheiden sich Lohnniveau und Transportkosten. Und im Vergleich zu einem einheitlichen Warenkorb, der die Preise von zahlreichen Produkten wie Gas, Fahrscheine, Brötchen, Salat erfasst, ist ein Big Mac recht eindimensional.
Er ist allerdings sofort verständlich. Danach gehört die Schweiz (7,04 Dollar für einen Burger) ebenso wie Norwegen (6,30) und Schweden (6,20) zu den eher teuren Ländern – hier gibt es keinen großen Unterschied zur Tabelle des Statistischen Bundesamtes. Die Euro-Zone liegt in der Economist-Liste mit 5,02 Dollar je Burger im oberen Drittel – übrigens hinter den USA mit 5,65 Dollar. Besonders günstig sind Big-Mac demnach in Südafrika (2,28), Russland (2,27) und dem Libanon. Dort ist der Big-Mac mit 1,68 Dollar mit Abstand am günstigsten.
Dass man vom Burger-Index nicht auf die allgemeine Lebenshaltung schließen kann, zeigt Platz 1 der aktuellen Übersicht. Dort steht Venezuela, wo der Big-Mac im Juli umgerechnet 8,35 Dollar kostete. Anders als die Schweiz und Norwegen ist das Lohnniveau im Land nicht hoch. Das ölreiche Venezuela steckt in der Krise, ist in den vergangenen Jahren wegen Misswirtschaft der kommunistischen Führung ins Chaos gestürzt, die Bevölkerung verarmt. Die Inflation ist hoch, im Mai hatte sie 2719 Prozent betragen. Anfang Oktober werden sechs Nullen an der Landeswährung gestrichen. Der Big-Mac dürfte hier ein Luxusprodukt sein. Für den Urlaub empfiehlt sich das Land derzeit wegen der politischen Lage eher nicht. Das Auswärtige Amt warnt vor Reisen und bittet um besondere Vorsicht.