Gabriel kritisiert Atomaufsicht der Länder

Bayern, Hessen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein hätten sich externer Überprüfung verweigert. Internationale Atombehörde listet Kontrollmängel bei Atomkraftwerken auf

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Von Hannes Koch

19. Sep. 2008 –

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) wirft den Regierungen von Bayern, Hessen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein vor, bei der Kontrolle von Atomkraftwerken nicht ausreichend zu kooperieren. „Die Länder lehnen es ab, Defizite ihrer Atomaufsicht aufzuarbeiten“, heißt es im Bundesumweltministerium.

Gabriel präsentierte zusammen mit der baden-württembergischen Umweltministerin Tanja Gönner (CDU) am Freitag den Prüfbericht einer internationalen Kommission. Das Team der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) hatte zwei Wochen untersucht, ob die deutsche Atomaufsicht die Sicherheit der Kraftwerke garantieren könne.

„Ich bedaure es sehr, dass die Länder Hessen, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bayern nicht an der Mission teilgenommen haben“, sagte Gabriel. Nur Baden-Württemberg fand sich bereit, die Überprüfung mitzumachen. Die Aufsicht über die Atomanlagen in Deutschland obliegt den Bundesländern. Diese kontrollieren die Betreiber der Kraftwerke im jeweiligen Bundesland. Das Bundesumweltministerium (BMU) führt die Oberaufsicht.

Die Weigerung, an der freiwilligen Überprüfung teilzunehmen, sei Ausdruck insgesamt mangelnder Kooperationsbereitschaft, heißt es im Bundesumweltministerium. Die Aufsichtsbehörden der Bundesländer würden technische Daten der Atomkraftwerke zurückhalten und dem Bund damit den Einblick erschweren. In Deutschland existierten „keine einheitlichen Bewertungsmaßstäbe für die Sicherheit von Atomkraftwerken“, erklärten Mitarbeiter des Ministeriums gegenüber dieser Zeitung. Mit seinem Angriff versucht Gabriel die CDU-CSU-regierten Länder in die Defensive zu bringen, die sich für längere Laufzeiten der Kraftwerke stark machen.

Jutta Kremer-Heye, Sprecherin des Niedersächsischen Umweltministeriums, wies die Vorwürfe zurück. „Selbstkontrolle ist bei uns laufendes Geschäft. Die niedersächsische Atomaufsicht lässt sich immer wieder extern überprüfen“. Deshalb habe man keinen Anlass gesehen, sich an dem aufwändigen Verfahren der IAEA zu beteiligen.

Der Bericht der IAEA-Kommission unter der Leitung des Briten Mike Weightman listet verschiedene Defizite der deutschen Atomaufsicht auf – allerdings in diplomatischem Ton. So fehle Personal beim BMU, um die vielfältigen Aufgaben wirkungsvoll wahrnehmen zu können. Zu oft müssten sich die staatlichen Aufseher auf die Unterstützung nachgeordneter Behörden oder des TÜV verlassen. Außerdem sei der Informationsfluss zwischen den einzelnen Ebenen der Atomaufsicht mangelhaft.

Das BMU und das baden-württembergische Umweltministerium sichern zu, die Defizite in den kommenden Jahren zu beheben. Unter anderem will man einheitliche Kriterien entwickeln und veröffentlichen, anhand derer die Sicherheit von Atomkraftwerken beurteilt werden kann. Ob das gelingt, dürfte auch von der Kooperation der Länder abhängen.

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