Gabriels Gratwanderung auf der Braunkohle

EU-Kommission kann staatliche Förderung für umweltschädliche Kraftwerke untersagen. DIW-Energie-Expertin Kemfert bezweifelt deshalb, „dass die Braunkohle-Kapazitätsreserve mit dem EU-Beihilfe-Recht vereinbar ist“

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Von Hannes Koch

14. Sep. 2015 –

Der deutsche Plan ist ein schwieriger Fall für Brüssel. Beihilfen für Kraftwerke seien genehmigungsfähig, wenn Anlagen mit „geringem Kohlendioxid-Ausstoß“ begünstigt würden, heißt es in den EU-Leitlinien für Staatshilfen im Energiebereich. Braunkohle-Kraftwerke in Nordrhein-Westfalen und Brandenburg, die die Bundesregierung finanziell fördern will, gehören nicht in diese Kategorie. Denn sie stoßen mehr klimaschädliches CO2 aus als andere Kraftwerke.

 

Darüber verhandeln derzeit die Mitarbeiter von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) mit der EU-Kommission. „Das Ziel ist es sicherzustellen, dass die Maßnahmen mit den EU-Regeln übereinstimmen“, sagte ein Sprecher von EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager am Montag gegenüber dieser Zeitung. Die Diskussion mit der Bundesregierung seien aber noch „in einem frühen Stadium“.

 

Gabriel stimmt seinen Gesetzentwurf gegenwärtig innerhalb der Bundesregierung ab. Die Braunkohle-Unternehmen RWE und Vattenfall sollen Verträge mit der Bund abschließen, um ab 2017 einige ihrer klimaschädlichen Kraftwerksblöcke stilllzulegen. Dies soll einerseits dem Klimaschutz dienen, andererseits aber auch Überkapazitäten am Strommarkt beseitigen. Für Notfälle, in denen Windräder und Sonnenzellen zu wenig Strom produzieren, sollen die Braunkohle-Anlagen aber in Reserve gehalten und bei Bedarf kurzfristig angeschaltet werden. Diese Dienstleistung will ihnen der Wirtschaftsminister nach bisherigen Plänen mit etwa 230 Millionen Euro jährlich vergüten.

 

Einerseits lassen die EU-Leitlinien solche Mechanismen inklusive der finanziellen Förderung zu. Als ein Ziel nennt die Kommission die „Gewährleistung einer angemessenen Stromerzeugung“. Man will damit verhindern, dass es zu Stromausfällen kommt. Andererseits sind solche Beihilfen an enge Kriterien gebunden, wie beispielsweise einen geringen Schaden für das Klima. Und wenn eine drohende Stromknappheit durch höhere Importe aus dem Ausland zu vermeiden ist, sollen die Mitgliedsländer dieser preisgünstigen Variante den Vorzug geben.

 

Nicht nur in der EU-Kommission herrscht Skepsis angesichts Gabriels Beihilfe-Plan. Auch Claudia Kemfert, Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, sagt: „Grundsätzlich muss man stark anzweifeln, ob die Braunkohle-Kapazitätsreserve mit dem EU Beihilfe-Recht kompatibel ist. Die Reserve kann eine unerlaubte Beihilfe darstellen.“ Sie argumentiert, dass die in Norddeutschland angesiedelten Braunkohle-Kraftwerke nicht den Strommangel ausgleichen könnten, der vor allem in den Industrieregionen Süddeutschlands auftrete.

 

Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages war unlängst zu dem Ergebnis gekommen, dass die Braunkohlereserve beihilferechtliche „Probleme aufwirft“. Die Rechtfertigung einer solchen Beihilfe sei unter anderem wegen der „Benachteiligung kohlenstoffarmer Energieträger nur schwer möglich“.

 

Auch Wirtschaftsminister Gabriel weiß, dass sein Konzept heikel ist. Gegenwärtig prüfe man, ob die Braunkohle-Millionen eine Beihilfe darstellten, sagte eine Ministeriumssprecherin am Montag. Wenn ja, wolle man sie der EU-Kommission zur Genehmigung vorlegen. Das könne bereits in diesem Herbst geschehen.

 

Damit Braunkohle-Kraftwerke weniger Kohlendioxid ausstoßen und weniger Strom produzieren, hatte Gabriel sie ursprünglich mit einer Abgabe belasten wollen. Dagegen wandten sich allerdings unter anderem die Landesregierungen von Nordrhein-Westfalen und Brandenburg. Auch die Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie kritisierte den Plan. Sie befürchtete einen „Strukturbruch“ in der Braunkohleindustrie mit dem Verlust tausender Arbeitsplätze.

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