Gas auf Eis

EU-Vizepräsident Valdis Dombrovskis äußert sich kritisch zur russisch-deutschen Gaspipeline Nord Stream 2. Ehemaliger deutscher Diplomat darf nicht als Aufsichtsratschef bei Gazprom-Tochter arbeiten.

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Von Hannes Koch

02. Feb. 2022 –

Der russische Energiekonzern Gazprom versucht, seine umstrittene Pipeline Nord Stream 2 in Deutschland an den Start zu bringen. Aber es ruckelt. Das Projekt liege auf Eis, hat Valdis Dombrovskis, Vizepräsident der Europäischen Kommission, laut Nachrichtenagentur Reuters am Montagabend in der ukrainischen Hauptstadt Kiew erklärt. Und das Auswärtige Amt untersagte dem ehemaligen deutschen Diplomaten Dieter Walter Haller, als Vorsitzender des Aufsichtsrats der neuen Gazprom-Tochter in Deutschland zu arbeiten.

Dombrovskis weilte in Kiew, um die Unterstützung der Europäischen Union für die Ukraine zu übermitteln, an deren Grenze russische Truppen aufmarschiert sind. Nord Stream 2 sei „nicht mit den Zielen der EU-Energiepolitik vereinbar“, sagte der Vizepräsident. In Brüssel befürchten manche, die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen werde zu groß. Außerdem könne die neue Röhre der russischen Regierung ermöglichen, Druck auf die Ukraine auszuüben.

Die beiden Leitungsstränge durch die Ostsee zwischen Russland und Deutschland sind technisch fertig. Durch sie kann künftig Erdgas strömen, das bisher unter anderem durch die Ukraine transportiert wird, womit diese Gebühren verdient. Für die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 fehlt jedoch noch die Zertifizierung durch die Bundesnetzagentur in Bonn. Momentan ist das Verfahren unterbrochen. Die Nord Stream 2 AG gehört Gazprom.

In diesem Zusammenhang erscheint fraglich, wie Dombrovskis Äußerung zu verstehen ist. Erste Variante: Er verweist nur auf das ausgesetzte Zertifizierungsverfahren. Bevor es weitergehe, müsse die Nord Stream 2 AG mit Sitz in der Schweiz erstmal eine deutsche Tochter gründen, hatte die Netzagentur festgestellt. In dem Verfahren wird dann auch die EU-Kommission eine Stellungnahme abgeben, die die Netzagentur berücksichtigen muss. Oder zweitens: Dombrovskis wollte bereits andeuten, dass er die Zertifizierung für fraglich hält.

Nach Dombrovskis Aussagen untersucht die EU-Kommission auch, ob das Vorgehen des staatlichen russischen Energiekonzerns Gazprom marktkonform ist. Brüssel wirft der Regierung in Moskau vor, trotz gestiegener Erdgas-Nachfrage die Liefermengen nicht zu erhöhen und damit den Preis in die Höhe zu treiben.

Um die Zertifizierung voranzubringen, hat Gazprom inzwischen die Firma Gas for Europe GmbH mit Sitz in Schwerin gründen lassen. Diese soll offiziell den 54 Kilometer langen Teil von Nord Stream 2 im deutschen Hoheitsgebiet betreiben. Als Vorsitzender des Aufsichtsrats firmiert Dieter Walter Haller, ein ehemaliger deutscher Botschafter. Dem hat das Auswärtige Amt diese Tätigkeit während seines Ruhestandes allerdings untersagt, teilte das Haus von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) mit. Begründung: „Dienstliche Interessen“ würden „beeinträchtigt“. Gazprom wird sich nun einen neuen Chefaufseher für seine deutsche Tochter suchen müssen. Derweil bleibt das Zertifizierungsverfahren bei der Bundesnetzagentur ausgesetzt, weil noch Unterlagen fehlen.

Die Debatte, ob die Pipeline nützlich oder schädlich ist, ging währenddessen weiter. Leonhard Birnbaum, Chef des Energiekonzerns E.On, sagte: „Energiewirtschaftlich ist Nord Stream 2 hilfreich.“ Russisches Gas werde weiter benötigt, um im Zuge der Energiewende beispielsweise Kohle als Brennstoff zu ersetzen, so Birnbaum. Der E.On-Chef hält russisches Pipeline-Gas auch deshalb für vorteilhaft, weil es billiger sei als flüssiges Erdgas etwa aus den USA. „Wir brauchen mittelfristig eher mehr als weniger Gasimporte aus Russland“, schrieb auch der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft. Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), sagte dagegen: „Deutschland braucht eine sichere Energieversorgung. Die hängt aber nicht an einer einzelnen Pipeline, auch nicht an Nord Stream 2.“

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