Gasverbraucher zahlen 1,6 Milliarden Euro drauf

Die Unternehmen der Gasversorgung gäben die fallenden Weltmarktpreise nicht voll an die Kunden weiter, erklären Wissenschaftler. Firmen wehren sich

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Von Hannes Koch

15. Apr. 2009 –

Zahlreiche Gasversorger wehren sich gegen Vorwürfe, sie würden Privathaushalten ungerechtfertigt Geld aus den Taschen ziehen. „Unsere Preise liegen nicht zu hoch“, sagte etwa Mareike Lehnhardt vom Lieferanten Erdgas Südbayern gegenüber dieser Zeitung. Das Unternehmen habe die fallenden Gaskosten auf dem Weltmarkt durchaus an die Kunden weitergegeben, so Lehnhardt.


Erdgas Südbayern und andere Firmen reagierten damit auf die Veröffentlichung eines Gutachtens der Grünen im Bundestag. Darin heißt es, die deutschen Gasversorger würden die sinkenden Einkaufspreise nicht in vollem Umfang an ihre Endkunden weitergeben. Würde diese Praxis wie bisher fortgesetzt, entstünde den Verbrauchern ein Schaden von „1,6 Milliarden Euro im Jahr 2009“.


Das ist eine hohe Zahl. Sie veranlasste den Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), sich schützend vor seine Mitglieder zu stellen. „Zahlreiche Unternehmen

haben ihre Preise mitten in der Heizperiode gesenkt, zum Teil sogar mehrfach“, erklärte BDEW-Geschäftsführerin Hildegard Müller.


Das bestreiten die von den Grünen beauftragten Gutachter nicht. Der Kölner Energieberater Gunnar Harms und Uwe Leprich, Professor an der Hochschule des Saarlandes, argumentieren jedoch, dass die Preise für die Endkunden bei weitem nicht so stark gefallen seien, wie die Einkaufspreise der Unternehmen. Dadurch entstehe ein positiver Effekt für die Gasversorger – und ein Nachteil für die Verbraucher. Für einen repräsentativen Kunden, der 20.000 Kilowattstunden pro Jahr verbrauche, schlügen die überhöhten Preise mit einem Verlust von 150 Euro pro Jahr zu Buche.


Am Beispiel einzelner Unternehmen haben die Gutachter die Preisbildung genauer analysiert. Erdgas Südbayern etwa verlange 5,4 Cent pro Kilowattstunde Gas. Gemessen unter anderem am Einkaufspreis halten Harms und Leprich dagegen nur 5,25 Cent für gerechtfertigt. Um diese Argumente zu entkräften, erklären Firmen wie Erdgas Südbayern oder auch die Berliner Gasag, die Berechnungen der Einkaufs- und Durchschnittspreise durch die Gutachter seien fehlerhaft.


Nicht nur in Bezug auf einzelne Firmen, sondern auch im Durchschnitt haben die Gutachter große Differenzen festgestellt. „Spätestens zum Beginn des dritten Quartals 2009 sollten die Gaspreise für die Endverbraucher wieder das Niveau von rund vier Cent erreichen. Momentan liegen sie noch bei 6,5 Cent pro Kilowattstunde.


Harms und Leprich legen Wert auf die Feststellung, dass dieses Missverhältnis für die gesamte deutsche Gaswirtschaft gelte. Nicht nur die 40 großen Regionalversorger, sondern auch die rund 700 Stadtwerke würden oft überhöhte Preise in Rechnung stellen, so Leprich gegenüber dieser Zeitung.


Die Untersuchung befeuerte am Donnerstag auch die Debatte über politische Gegenmaßnahmen. Die grüne Fraktionsvize Bärbel Höhn forderte die Bundesregierung auf, den Wettbewerb in der Gaswirtschaft zu verbessern.


Ein wesentlicher Punkt betrifft die Zusammenlegung der zehn Versorgungsgebiete unterschiedlicher Anbieter, in die Deutschland heute noch aufgeteilt ist. Will ein neuer Anbieter wie Lichtblick aus Hamburg eine Familie in Stuttgart mit Gas versorgen, muss er mit mehreren Regionalversorgern über die Nutzung der Gasleitungen und die dafür anfallenden Kosten verhandeln. Dadurch kann der Endkundenpreis empfindlich steigen – teilweise so hoch, dass das Geschäft für den neuen Versorger unrealistisch wird.


Die Grünen plädierten dafür, die abgegrenzten Gasgebiete abzuschaffen. Auch SPD-Energiepolitiker Rolf Hempelmann findet dieses Vorhaben grundsätzlich sinnvoll – wenngleich er meint, dass die Zusammenlegung zu einem einzigen Netz aus technischen Gründen kaum machbar sei.


Renate Hichert, die Sprecherin der Bundesnetzagentur, erklärte, ihre Aufsichtsbehörde würde die Unternehmen ohnehin drängen, die abgegrenzten Versorgungsgebiete aufzugeben. Ihre Zahl sei inzwischen von 40 auf nur noch zehn gesunken, so Hichert.


In einem Punkt sind sich jedoch fast alle Akteure einig: Würden die Verbraucher ihre Freiheit besser nutzen und in großer Zahl von teuren zu billigeren Anbietern wechseln, könnten viele Unternehmen ihre hohen Preise nicht durchsetzen.

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