Gedränge in Regionalzügen

Die Deutsche Bahn verbucht einen Fahrgastrekord. Doch das Wetter und die Fernbusse setzen ihr zu.

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Von Hanna Gersmann

24. Jul. 2014 –

Da sorgen Pannen immer wieder für böse Worte. Erst vor einer Woche hat der Zugführer des Intercity 148, der von Berlin nach Amsterdam unterwegs war, rund 100 Fahrgäste vor die Tür gesetzt. Und zwar in der niederländischen Kleinstadt Deventer. In einigen Waggons war die Klimaanlage ausgefallen. Die Bahn kämpft mit kaputten Kühlung, mit gestörten Stellwerken – trotzdem scheint sie so beliebt wie nie zuvor zu sein.

Bahn-Chef Rüdiger Grube machte am Donnerstag einen „Aufwärtstrend“ aus – und einen „Fahrgastrekord“. Er stellte - zusammen mit den sieben anderen Bahnvorständen – die Halbjahresbilanz vor. Demnach legte zwar nicht der Fernverkehr, aber der Nahverkehr zu. So reisten in den ersten sechs Monaten diesen Jahres eine Milliarde mal Fahrgäste mit der Deutschen Bahn. 96 Prozent der Regionalzüge hielten den Fahrplan ein, 81 Prozent der Fernbahnen. Die Züge werden pünktlicher.

Auch der Güterverkehr hat im Vergleich zum ersten Halbjahr 2013 um 0,9 Prozent zugelegt – auf 52 Milliarden Tonnenkilometer. So sagte Grube: „In wirtschaftlicher Hinsicht sind die ersten sechs Monate dieses Jahres Jahres positiv zu bewerten.“ Zwar korrigierte er die Prognose ein wenig nach unten. Er erwarte am Ende des Jahres aber immer noch, dass der Umsatz erstmals die 40-Millliarden-Euro-Marke knacke, so Grube.

Vergleicht man die Zahlen mit denen aus dem ersten Halbjahr 2013, sehen die Zuwächse durchaus beachtlich aus: Der Umsatz stieg um 1,9 Prozent auf 19,7 Milliarden Euro und der Gewinn nach Steuern erhöhte sich um 15,9 Prozent auf 642 Millionen Euro. Allerdings war das Jahr 2013 für die Bahn besonders schwierig, damals brachen ihre Gewinne ein. Finanzvorstand Richard Lutz warnte denn auch vor „Euphorie“. Vor allem das Wetter und die Konkurrenz machen den Bahn-Strategen Sorgen.  

Vor Jahrzehnten warb die Bahn noch mit dem Slogan „Alle reden vom Wetter, wir nicht.“ Heute machen dem Konzern Hagel und Sturm zu schaffen. „Wir beobachten generell eine Zunahme von Extrem-Wettereignissen mit starken Auswirkungen auf den Bahnbetrieb“, sagte Grube. Erst Anfang Juni kam die Bahn das Tief Ela, das vor allem in Nordrhein-Westfalen wütete, teuer zu stehen. Pfngstmontag zerstörte das Unwetter 2000 Kilometer Oberleitungen. Umgenickte Bäume blockierten Gleise. 1500 Kilometer Strecke wurden zeitweise gesperrt. Grube beziffert den Schaden auf 60 Millionen Euro.

Zudem sagte der Bahnchef: „Fakt ist – Der Wettbewerbsdruck nimmt zu“.  Etwa durch Fernbusse. Viele Jahre waren sie weitgehend verboten. Damit sollte die Bahn geschützt werden. Vor gut anderthalb Jahren änderte sich das, der Fernbusverkehr wurde freigegeben.

Seither cruisen zum Beispiel die Deutsche Post und der ADAC mit Bussen quer durchs Land. Dazu kommen neue Firmen wie Flixbus oder MeinFernbus. Sie alle fahren mittelgroße Städte an, sind auch in strukturschwachen Regionen unterwegs. Das sind oft direkte Verbindungen, die die Bahn mit ihren Zügen längst aufgegeben hat.

Zwar mischt der Konzern auch im Busmarkt mit, doch seine Dynamik haben die Manager unterschätzt. Vor allem aus den Fernzügen steigen die Passagiere aus – und in die Busse um. Die sind zwar zumeist langsamer, dafür aber billiger.

Einen „Preiskampf“ könne die Bahn nicht eröffnen, erklärte Ulrich Homburger, der im Bahnvorstand für den Personenverkehr verantwortlich ist. Sie müsse etwa für die Trassennutzung Gebühren zahlen, der Bus zahle für die Straße indes – nichts. Stattdessen wolle die Bahn „das Produktbild“ und das „Reiseerlebnis“ verbessern.

Bis Ende diesen Jahres solle überall auf dem 5200 Kilometer langen ICE-Kernnetz W-Lan funktionieren. Auch die Kundeninformation werde verbessert. Dazu gehöre etwa das „mobile Zugradar“, eine App, mit der zu jeder Zeit geguckt werden kann, wo sich welche Bahn befindet.

Die Bahn hat allerdings auch noch andere Arbeitsaufträge: Ab 2015 soll der neue Fernzug ICx die ersten Testfahrten machen. Züge müssen modernisiert, Brücken und Gleise saniert werden. Die Finanzierung sei aber eine „Herausforderung“, meinte Grube. Klagt er zu recht?  

„Es fehlt Geld“, bestätigt Karl-Peter Naumann vom Fahrgastverband Pro Bahn. Die Schweiz investiere in die Schieneninfrastruktur pro Jahr und Kopf 366 Euro, Österreich 199, Schweden 160, doch Deutschland nur 54. Naumann prophezeit: „Hierzulande wird der Zugverkehr in den nächsten Jahren abnehmen.“

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