Geldnot macht Staaten erfinderisch

Neue Steuern werden selten wieder abgeschafft / Umfallen ist politischer Alltag

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Von Wolfgang Mulke

30. Sep. 2013 –

Die alten Ägypter waren besonders einfallsreich, als die Pharaonen ihren Untertanen etwas abnehmen wollten. Sie hoben in der Nähe des Nils tiefe Schächte aus, die Nilometer. Darin wurde eine Skala angebracht mit der der Grad an Überschwemmungen gemessen werden konnte. Je mehr fruchtbaren Boden der Fluss an Land spülte, desto besser die Ernte und umso höher die Abgabe der Bauern. Steuern und Abgaben sind also keine Erfindung der Neuzeit. Es gab schon vor 5.000 Jahren die ersten Versuche, die Staatseinnahmen systematisch zu erhöhen.

 

Bekannt ist auch der „Zehnte“ als Abgabe zur Finanzierung des Gemeinwohls. Er könnte als Vorläufer der heutigen Einkommensteuer angesehen werden. Zehn Prozent der erwirtschafteten Erträge wurde an die gemeinsame Kasse abgeführt. In manchen christlichen Gemeinden wird dies heute noch freiwillig praktiziert. Die Amtskirchen machten daraus später allerdings eine Zwangsabgabe. Im 17. Jahrhundert schließlich entwickelten absolute Monarchen die Grundzüge des heutigen Steuersystems.

 

Auf die Versprechen der früher wie heute Herrschenden kann man nicht unbedingt vertrauen. Das zeigte sich in den letzten Jahren auch in Deutschland deutlich. Bei der Bundestagswahl 2005 zog die SPD mit der Zusage in den Wahlkampf, dass es keine Steuererhöhung geben werde. Die Union wollte die Mehrwertsteuer von 16 Prozent auf 18 Prozent erhöhen. Nach der Wahl verständigten sich beide Parteien auf die die größte Steuererhöhung der Nachkriegsgeschichte, in dem sie die Mehrwertsteuer 19 Prozent anhoben.

 

Bei der letzten Bundestagswahl war es die FDP, die sich zu weit aus dem Fenster gelehnt hat. Vollmundig verkündigte die Partei damals, dass die Menschen netto mehr von ihrem Bruttolohn behalten sollten und deshalb die Steuern gesenkt werden. Daraus wurde nicht viel. Lediglich die Hoteliers bekamen eine Ermäßigung auf ihren Mehrwertsteuersatz.

 

Regierungen sind höchst erfinderisch, wenn es um zusätzliche Einnahmen geht. Bei der Gardinensteuer, die den Niederlanden nachgesagt wird, handelt es sich allerdings nur um eine Legende. Eine Fenstersteuer gab es hingegen in England, was manchen Hausbesitzer dazu bewog, die Rahmen zuzumauern. Auch in Deutschland gibt es seltsame Abgaben, zum Beispiel die Schaumweinsteuer auf Sekt. Sie wurde im ersten Weltkrieg zur Finanzierung der Kriegsflotte eingeführt. Wie so oft ist der ursprüngliche Zweck abhanden gekommen, die Steuer aber geblieben. So gibt es auch den Solidaritätszuschlag, der nach der Wende für den Aufbau Ost eingeführt wurde, immer noch. Selbst wenn er für die neuen Länder in einigen Jahren nicht mehr benötigt wird, bleibt diese Zusatzabgabe den Bürgern wohl erhalten. Diskutiert wird eine neue Begründung. Der Soli könnte für die Unterstützung strukturschwacher Regionen im ganzen Land eingesetzt werden.

 

Es muss nicht immer eine Steuer sein. In Deutschland werden gerne auch die Beiträge zur Sozialversicherung als politisches Mittel eingesetzt. Dann gibt es zwar keine Steuererhöhung, aber die Haushalte haben trotzdem weniger in der Kasse. Es gibt also viele Stellschrauben, an denen die neue Regierung gleich welcher Farben drehen kann. Die Wahlversprechen im Vorfeld wären jedenfalls teure Geschenke, die irgendwie finanziert werden müssten. Die Linke will 170 Milliarden Euro umverteilen, die Grünen rund 50 Milliarden. Die SPD-Pläne summieren Fachleute auf über 30 Milliarden Euro, eine Größenordnung, auf die sich auch die Zusagen der Kanzlerin summieren. Wenn gehalten werden soll, was versprochen wurde, ist im Finanzministerium auch diesmal Erfindergeist gefragt.

 

 

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