Gift aus der Tube

Ärzte fordern Verbot des antibakteriellen Triclosans, das in der Zahnpasta Colgate Total steckt, aber auch in Deos oder in Reinigern für Sexspielzeug

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Von Hanna Gersmann

08. Okt. 2014 –

Zum Beispiel die Zahncreme Colgate Total. Sie biete „12 Stunden Non-Stop Schutz“. Darin stecke Triclosan. Der beuge auch Zahnfleischproblemen vor. Gut liest sich das in der Werbung. Doch die „Ärzte und Ärztinnen für Umweltschutz“ in der Schweiz – kurz AefU – halten ihn für gefährlich und haben jetzt die Online-Petition „Triclosan verbieten“ gestartet. Diese richtet sich zunächst zwar an den Schweizer Bundesrat. Aber der Zusatzstoff, der Bakterien töten und gegen üblen Geruch helfen soll, findet sich überall. In Deos und Fußpuder. In Müllbeuteln und Socken.

Martin Forter ist AefU-Geschäftsführer und der Kopf der Kampagne, auch wenn er selbst kein Mediziner, sondern Geograf ist. Er hat sich schon mehrfach mit den Chemiekonzernen in der Schweiz angelegt. In den letzten Wochen ist er in Apotheken, Drogerien und Supermärkten auf Einkaufstour gegangen. Er hat knapp 70 Produkte, die Triclosan enthalten, mitgenommen. Das sei allerdings „nur eine Auswahl“, so Forter. Dabei schade der antibakterielle Stoff mehr als er nütze.  

Triclosan steht in Verdacht, im Körper wie ein Hormon zu wirken und vielleicht sogar Brustkrebs auszulösen. Der Stoff soll auch Spermien, Leber und Muskeln schwächen. Darüber hinaus können sich durch ihn resistente Keime bilden, in Laborversuchen waren es auch solche, bei denen Antibiotika nicht mehr wirken.

„Ähnliche Stoffe, wie zum Beispiel das Insektizid DDT, wurden längst verboten“, sagt Forter. „Nur Triclosan hat die Kritik an dieser Stoffgruppe überlebt und ist immer noch auf dem Markt.“ Triclosan ist eine hochchlorierte Verbindung. Der von der Basler Firma Geigy - ein Vorgänger des Novartiskonzerns - Mitte der 1960 Jahre entwickelte Stoff lagere sich im Fettgewebe der Menschen ab. Er sei im Blut und der Muttermilch der Menschen nachgewiesen worden, aber auch in Gewässern und Fischen. Heute wird Triclosan vor allem von BASF produziert.

Manche Hersteller von Kosmetika und Reinigungsmitteln stellen ihre Produktion freiwillig peu á peu um: Johnson & Johnson verspricht auf seiner Homepage Alternativen zu entwickeln und  Triclosan bis 2015 ersetzt zu haben. Der Stoff sei zwar nicht bedenklich. Aber das Unternehmen wolle den Seelenfrieden der Kunden, erhalten.


Wie lange verwenden Sie die Substanz noch? - Forter hat die Frage allen Produzenten seiner Triclosan-Einkäufe gestellt. Colgate-Palmolive habe den Stoff am „vehementesten“ verteidigt, sagt er.

 

Das Unternehmen antwortete ihm per E-Mail: Die Menge, die für Zahnpasta verwendet werde, nämlich eine Konzentration von 0,3 Prozent, sei nach EU-Recht „zulässig“ und „sicher“. Erst im Jahr 2013 erteilte auch die Stiftung Warentest Colgate Total ein „sehr gut“. Sprecherin Heike van Laak: „Der Grenzwert wird eingehalten, insofern hat es keine Abwertung gegeben.“  

 

Doch nicht nur die AefU-Leute fürchten das Risiko. Der US-Bundesstaat Minnesota hat im Mai diesen Jahres ein Gesetz verabschiedet, nach dem Triclosan dort ab 2017 verboten ist. Saudi-Arabien hat den Stoff aus Kosmetik verbannt. In der EU darf er in der Lebensmittelbranche, in Folien, auf Schneidebrettern oder Transportbändern, nicht mehr verwendet werden.

 

Und eine Sprecherin des Bundesinstituts für Risikobewertung sagte: „Die zugelassenen Konzentrationen in Kosmetika sind so gering, dass eine negative Wirkung auf die Gesundheit nicht zu erwarten ist.“ Doch habe das Institut schon vor fünf Jahren empfohlen, „den Einsatz von Triclosan auf den medizinischen Bereich zu beschränken.“


Derzeit klärt die EU nach der Chemikalienrichtlinie Reach und nach der Biozidverordnung ob Triclosan künftig verboten wird. Doch die Prozesse sind langwierig. Die Onlinepetition, die bereits 2500 Menschen unterzeichnet haben, findet sich unter www.aefu.ch/themen/chemikalien/triclosan/verbieten/

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