Gipfel gegen die scharzen Finanz-Löcher
Regierungen der 20 wichgsten Wirtschaftsnationen beschließen in Washington die bessere Regulierung und Kontrolle des Weltfinanzsystems
16. Nov. 2008 –
Gemessen am Möglichen ist der Weltfinanzgipfel in Washington ein Erfolg. Die Regierungen der 20 wichtigsten Wirtschaftsnationen der Erde, die gemeinsam 85 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung erbringen, haben sich am Wochenende auf ein neues Regelwerk gegen die aktuelle Finanzkrise geeinigt.
Erstmals seit 30 Jahren steht nicht nur die weitere Öffnung der Märkte auf der Tagesordnung, sondern auch ein strengerer politischer Rahmen. „Wir haben wichtige Schritte zu einer globalen Wirtschaftsordnung gemacht", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Finanzminister Peer Steinbrück verglich das entstehende System mit dem Kioto-Abkommen zur Reduzierung der schädlichen Abgase: „So zielgerichtet trifft sich die Weltgemeinschaft sonst nur zum Schutz von Umwelt und Klima“.
Die umfangreiche Abschlusserklärung des Gipfels spart nicht mit deutlicher Kritik an den Banken und Investoren, die eine große Verantwortung für das Ausbrechen der Finanzkrise tragen. Die Regierungschefs kritisieren, dass „Marktteilnehmer größere Gewinne“ angestrebt hätten, ohne die „Risiken zu beachten“ und „ausreichende Sorgfalt“ zu praktizieren. Aber auch ihre eigenen Versäumnisse thematisieren die Politiker: Die Aufsicht und Kontrolle sei hinter der Entwicklung auf den Finanzmärkten zurückgeblieben.
Um eine ähnliche Krise künftig unwahrscheinlicher zu machen, hat der Gipfel eine Reihe von Maßnahmen beschlossen.
Mehr Regulierung
In den Punkten 8 und 9 der Erklärung von Washington heißt es, dass „alle Finanzmärkte, Produkte und Teilnehmer reguliert oder kontrolliert werden“ sollen. Die Regierungen tun damit zumindest ihren theoretischen Willen kund, die bisherigen schwarzen Löcher im Weltfinanzsystem zu beseitigen. Setzen sie diese Absicht um, könnten sich Banken in Steueroasen wie den Cayman- oder den Kanal-Inseln nicht mehr vor der Finanzaufsicht verstecken. Sie müssten Auskunft geben über Art und Menge des angelegten Kapitals. Nicht zuletzt würden sie künftig Steuern zahlen, was viele Institute heute vermeiden. Auch Hedgefonds würden der Aufsicht unterstellt. Das ist eine Forderung, die besonders die Bundesregierung in den vergangenen Jahren erhob. In der Gipfel-Erklärung spiegelt sich aber auch die Skepsis der Regierungen Großbritanniens und der USA gegenüber jeglicher Art von Regulierung. Der Text warnt vor „Überregulierung“, die die Innovationskraft der Märkte behindern und die Zunahme des Handels mit Finanzprodukten bremsen könne.
Bessere Finanzaufsicht
Die Regierungen sind sich einig, dass die nationalen Aufsichtsbehörden besser miteinander kooperieren sollen. Den transnationalen Banken will man so genannte Kollegien zur Seite stellen: Teams von staatlichen Kontrolleuren aus den Ländern, in denen die Banken aktiv sind. Auch Rating-Agenturen wie Standard & Poor´s und Moody`s, die durch zu positive Bewertung minderwertiger Wertpapiere des aktuelle Krise mitverursacht haben, sollen künftig kontrolliert werden.
Erweiterung des Clubs
Während die großen westlichen Industrieländer die wichtigen Fragen bislang unter sich ausmachten, sollen bald auch die aufstrebenden Staaten Asiens, Afrikas und Lateinamerikas mehr beteiligt werden. Setzen die Regierungen die Erklärung von Washington in die Tat um, erhalten China, Brasilien, Indien und andere Länder beim Internationalen Währungsfonds und der Weltbank mehr Gewicht. Das hatten die Schwellenländer als Voraussetzung dafür verlangt, dass sie einen Beitrag zur Lösung der Krise leisten.
Die Umsetzung
Mit Rücksicht auf die Übergangsphase in den USA – Bush geht, Obama kommt – will man sich am 30. April 2009 das nächste Mal treffen, um die praktische Umsetzung der Erklärung von Washington zu bewerten. Ob die G 20 dann zusammen mit dem neuen US-Präsidenten Obama striktere Maßnahmen beschließt, bleibt abzuwarten.
Die Leerstellen
Zu einigen Problemen sagt die Gipfel-Erklärung wenig bis nichts. Dazu gehört die Frage der Managergehälter. Blumig heißt es nur, dass Gehälter und Bonuszahlungen für Bankvorstände und Investoren risikoträchtiges Verhalten nicht unterstützen sollten. Konkrete Maßnahmen, um dem Missstand abzuhelfen, werden nicht erwähnt. Auch von „makroökonomischer Steuerung“ ist nur am Rande die Rede. Kritische Ökonomen fordern, dass die wichtigsten Wirtschaftsnationen ihre Geldpolitik aufeinander abstimmen. Wäre dies der Fall gewesen, hätten die USA ihre Wirtschaft nicht jahrelang dank niedriger Zinsen mit billigem Geld fluten und damit die Immobilienblase aufpumpen können.
Die Erklärung von Washington im Internet: