Greenpeace und das Kohle-Paradoxon

Die Umweltorganisation will angeblich die ostdeutschen Braunkohle-Kraftwerke kaufen. Die wirkliche Botschaft lautet aber: Auch in Ostdeutschland ist eine staatlich finanzierte Stiftung für die Abwicklung nötig.

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Von Hannes Koch

20. Okt. 2015 –

Die Umweltschutz-Organisation Greenpeace hat oft Mut bewiesen. In kleinen Schlauchbooten kurvten die Öko-Kämpfer vor riesigen Fischtrawlern herum, um den Walfang zu erschweren. Waghalsig seilten sie sich von Schornsteinen ab und protestierten gegen die Luftverschmutzung. Jetzt aber gehen sie ein noch höheres Risiko ein. Sie sind bereit, die Erdatmosphäre erst zu schädigen, um sie später schützen zu können.

 

Greenpeace Nordic, der schwedische Zweig der Umweltorganisation, bietet dem staatlichen schwedischen Energiekonzern Vattenfall an, ihm das deutsche Geschäft mit der klimaschädlichen Braunkohle abzunehmen. Eine durch die Umweltorganisation gegründete Stiftung soll die Braunkohle-Tagebaue in Ostdeutschland und die entsprechenden Kohlekraftwerke, beispielsweise Jänschwalde und Schwarze Pumpe, übertragen bekommen.

 

Weil die Tage der Braunkohle-Ökonomie wegen der globalen Bemühungen um den Klimaschutz allerdings gezählt seien, hätten die Vattenfall-Anlagen kaum noch betriebswirtschaftlichen Wert, hat Greenpeace sich von Experten ausrechnen lassen. Für die Übernahme will die Organisation folglich kein Geld an Vattenfall zahlen, sondern stattdessen rund zwei Milliarden Euro von dem Konzern erhalten. Schließlich müsse man die Tagebaue und Kraftwerke ja irgendwann stilllegen, und das koste hohe Summen für Renaturierung und Sozialpläne zugunsten der Beschäftigten. Um die Stilllegung mitzufinanzieren, soll die Stiftung bis etwa 2030 noch selbst Braunkohlestrom produzieren und verkaufen.

 

Greenpeace behauptet, dieser Vorschlag sei ernst gemeint. Allerdings wird er nicht funktionieren. Erstens weil die Umweltorganisation den Imageschaden nicht verkraften würde, den 15 Jahre Luftverpestung unter eigener Verantwortung mit sich brächten. Und zweitens spricht Vattenfall als gewinnorientiertes Wirtschaftsunternehmen mit den Käufern, die ihm Geld für seine ostdeutschen Anlagen bieten - und nicht welches haben wollen. Zwei Energiekonzerne aus dem Nachbarland Tschechien haben bereits Interesse bekundet. Diese rechnen damit, dass sie noch jahrelang Gewinne mit der Verstromung von Braunkohle erwirtschaften und ihre Investition auf diese Art refinanzieren können. Vermutlich spielt bei der Rechnung auch eine Rolle, dass die Investoren hoffen, die finalen Abwicklungskosten später nicht selbst zu tragen, sondern diese auf den Staat abzuschieben.

 

Was aber kann dann der Sinn des Vorschlags der Umweltschützer sein? Sie wollen eine politische Lösung für die Abwicklung der Braunkohle anregen. In Westdeutschland hat man diese bereits organisiert: Dort beerdigt die RAG-Stiftung den Steinkohlebergbau im Ruhrgebiet und Saarland mit staatlicher Finanzierung. Ein ähnliches Modell in Kooperation der Länder Brandenburg und Sachsen, dem Bund, sowie dem Konzern Vattenfall muss auch für Ostdeutschland entwickelt werden.

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