Große Koalition für die kleinen Leute

Windige Bankgeschäfte, gepanschte Lebensmittel, Kaffeefahrten - was will eine schwarz-rote Regierung dagegen tun? Die Vorhaben – und ihre Haken

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Von Hanna Gersmann

28. Nov. 2013 –

SPD-Parteichef Sigmar Gabriel sagt es. CSU-Parteichef Horst Seehofer auch. Der neue, der schwarz-rote, Koalitionsvertrag sei für „die kleinen Leute“. Nur: Was wird sich im Alltag eines jeden, in der Bank, im Internet, im Ladengeschäft für alle bemerkbar machen. Eine Kurzanalayse.

Erstes Beispiel Finanzgeschäfte

Geld ist derzeit billig – allerdings nur für die Banken und Sparkassen. Bei den Verbrauchern aber kommt das oft nicht an. So kassieren Geldhäuser von ihren Kunden schon mal Dispozinsen von 13 Prozent und mehr. In den Niederlanden muss über jeder Kreditanzeige eine Warnung stehen „Aufpassen: Geld auszuleihen kostet Geld". Mancher hoffte, die Koalition würde die Dispozinsen deckeln. Doch am Ende setzte sich diese Idee nicht durch.

Banken sollen nun nur einen „Warnhinweis“ geben, wenn der Dispokredit überschritten wird. „Wer einen Kredit aufnimmt – dieser Satz gilt nun umso mehr – muss auf die Konditionen achten. Es gibt deutlich günstigere Verträge. Das Geschäft ist allerdings undurchsichtig, viele Klauseln sind schwer verständlich.

Verbraucherorganisationen sollen darum eine „Marktwächterfunktion 'Finanzmarkt´“ bekommen. Auch einen Sachverständigenrat Verbraucherschutz soll es geben. Beides kann nicht schaden. Am eigentlich Problem geht das aber vorbei: Es gibt schon jede Menge Regeln für den Finanzmarkt, aber keine Kontrolle. Entscheidender ist darum ein abstrakt formulierte Passus: Bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und anderen Behörden soll „Verbraucherschutz gleichberechtigtes Ziel ihrer Aufsichtstätigkeit“ werden. Die Bafin, die Aufsichtsbehörde für Geldinstitute muss sich erstmals auch um den individuellen Schutz des Kunden kümmern. Das ist ein Anfang: Allerdings: Bringen wird es nur was, wenn dafür auch Geld und Personal eingeplant wird.

Zweites Beispiel Einkaufen

Die Vermarktung regionaler Produkte soll „ausgebaut“ werden. Die Konsumforscher machen in Zeiten, in denen sich das Magazin Landlust mehr als eine Million Auflage, einen Trend zu Produkten aus dem Umland aus. Bisher ist aber – anders als bei Bioobst und -Gemüse – nicht geregelt, was Regional bedeutet. Dabei ist so manchem der Appetit auf die anonyme global verschlungene Lebensmittelproduktion vergangen. Auf Pferdefleisch in der Wurst und Dioxin im Ei. Die Koalition will dagegen nun „die Lebensmittelüberwachung“, für die die Länder zuständig sind, „besser vernetzen“. Mehr würde es bringen, wenn Schwerpunktstaatsanwaltschaften gegründet und Strafen für Lebensmittelpanscher erhöht würden.

Die Vorschläge sind schon lange bekannt.

Drittes Beispiel Internet

Die Stiftung Warentest soll sich künftig auch im den Datenschutz kümmern. Zugleich soll die Stiftung mehr Geld vom Staat bekommen. Zudem müssen sich Unternehmen bei den Behörden melden, wenn sie das „Scoringverfahren anwenden“. Beim Scoring speichern Firmen Verbraucherdaten - Adresse, Alter, aber auch Umzüge, Warenbestellungen oder Mahnbescheide. Daraus ermitteln sie das wahrscheinliche Zahlungsverhalten von Kunden. Ihre Auftraggeber sind Banken, Vermieter, Telekomfirmen. Betroffen wissen davon oft nichts, Datenschützer kritisieren das seit langem. Grundsätzlich sollen die „Rechte von Verbrauchern bei der Nutzung digitaler Güter gegenüber der Marktmacht globaler Anbieter“ gestärkt werden. Konkreter wird es nicht.

Was fehlt: Die Kaffeefahrt

Interessant ist, was fehlt im 185 Seiten dicken Vertrag – im Vergleich zu den ersten Entwürfen. Diejenigen, die an Kaffeefahrten teilnehmen, sollten zum Beispiel vor „Übervorteilung“ geschützt werden. Und es sollte nicht mehr möglich sein, jemandem am Telefon einen Handyvertrag aufzuschwatzen. Ein Vertrag sollte erst nach schriftlichen Bestätigung verbindlich werden. Davon steht in der Endfassung – nichts.

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