Grüne Schokolade aus Schwaben

Soziale Kapitalisten (3): Firmenerbe Alfred Ritter setzt auf die ökologisch bewussten Konsumenten

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Von Hannes Koch

20. Dez. 2008 –

Zur aktuellen Finanzkrise hat Schokoladen-Erbe Alfred Ritter eine klare Meinung. Als Ursache des Crash betrachtet er nicht zuletzt die zu hohen Gewinnerwartungen der Banken. „Es gibt ein Renditestreben, das nur darauf baut, jemanden über´s Ohr zu hauen“, sagt der Chef der Firma Ritter Sport. „Wenn der Markt um fünf Prozent wächst, das Unternehmen aber 25 Prozent Gewinn anstrebt, muss es diesen Profit irgendwem abnehmen“. Weil sie andere Marktteilnehmer schädige, sei eine solche Geschäftsstrategie weder stabil, noch nachhaltig oder sozialverträglich, meint Alfred Ritter.

Für sich selbst und sein Unternehmen nimmt Ritter in Anspruch, eine gewisse Selbstbeschränkung zu praktizieren. So habe man beispielsweise die unteren Lohngruppen im Betrieb abgeschafft und zahle auch den wenig qualifizierten Beschäftigten einen etwas höheren Lohn.

Solche Geschichten höheren sich gut an. Sie sind nicht erfunden, aber natürlich werden sie strategisch eingesetzt, um den Ruf des im schwäbischen Waldenbuch bei Stuttgart beheimateten Familienbetriebs zu polieren und den Absatz der quadratischen Schokolade zu fördern.

Dass sozialer Ausgleich und Ökologie in Ritters Geschäftspolitik eine größere Rolle spielen als in anderen Firmen, hat aber auch mit der Biografie der heutigen Eigentümer zu tun. Runde John-Lennon-Brille, die Haare über dem Kragen, um den Hals eine gelbe Stoffkette mit rotem Anhänger – lange Zeit hat Alfred Ritter, genau wie seine Schwester Marli Hoppe-Ritter, einen Bogen um die Schokoladenfabrik gemacht. Als der Vater früh verstarb, setzten die Geschwister einen angestellten Geschäftsführer ein. Alfred Ritter (Jahrgang 1953) eröffnete eine psychotherapeutische Praxis und gründete eine Firma für Ökoenergie. Seine Schwester, die sich als „Alt-68erin“ bezeichnet, widmete sich ihrer Kunstsammlung. Beide sind linken, alternativen und in gewisserweise auch wirtschaftskritischen Ideen nicht abgeneigt.

Erst allmählich näherten sich die Geschwister dem Unternehmen an, das sie nun in dritter Generation führen. 2005 übernahm Alfred Ritter die Geschäftsführung der Firma mit heute rund 800 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 290 Millionen Euro (2007). Ihre Gewöhnung an den unternehmerischen Alltag der Schokoladenproduktion erleichterten sich die Erben, indem sie ein Entwicklungsprojekt in Nicaragua anschoben.

Im feuchttropischen Bergwald des zentralamerikanischen Landes unterstützt Ritter seit 1990 eine Bauerngenossenschaft, die organischen Kakao ohne Chemie-Dünger anbaut. Jahrelang war das ein Zuschussgeschäft, nun aber beginnt es sich zu rentieren. Denn seit April verkauft Ritter in Deutschland Bio-Schokolade, die unter anderem auf Basis des nicaraguanischen Kakaos hergestellt wird.

Als erster Massenhersteller für Schokolade reagiert Ritter damit auf den Bioboom und das sich verändernde Kaufverhalten neuer Konsumentenschichten. Eine zunehmende Zahl von Verbrauchern orientiert ihre Kaufentscheidung nicht mehr nur an Gebrauchswert und Preis eines Produktes, sondern neuerdings auch an dessen sozialer und ökologischer Qualität.

Für Alfred Ritter ist das eine gute Nachricht, die in sein Weltbild passt. „Nachhaltigkeit“ bedeutet für ihn auch, eine gewisse Selbstbeschränkung beim Gewinn zu akzeptieren, gleichzeitig aber moderate, langfristige Renditen anzustreben. „Ich fühle mich wohl in der Rolle des Marktführers, der früh ein Bio-Produkt herausbringt“, sagt Ritter, „diese Position verbessert unsere Ertragssituation“.

 

Hannes Koch: Soziale Kapitalisten – Vorbilder für eine gerechte Wirtschaft. Rotbuch 2007. 192 S.. 19,80 €.

 

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