Gute oder schlechte Familienförderung?

Bundesregierung und Wissenschaftler bewerten den Erfolg von Kindergeld & Co unterschiedlich

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Von Wolfgang Mulke

10. Okt. 2013 –

Familienpolitik ist längst kein „Gedöns“ mehr, wie es Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder einmal nannte. Vielmehr stoßen auf diesem Feld viele unterschiedliche Interessen aufeinander. Da sind die Eltern mit ihren Kindern, da ist die Wirtschaft, die Nachwuchskräfte und qualifizierte Frauen braucht. Oben drüber rangiert der Staat als Finanzier der Familienförderung. Er muss der demographischen Entwicklung etwas entgegensetzen. Schließlich mischen die gesellschaftlichen Interessengruppen mit, von den Kirchen bis zu den Schwulenverbänden. Damit ist ein permanenter Streit um die richtigen Ziele und Förderinstrumente vorprogrammiert. Ein Beispiel ist das Betreuungsgeld. „Herdprämie“, sagt die Opposition, „Wahlfreiheit“ die Familienministerin, „Fehlanreiz“ schimpfen Wirtschaftsforscher, „gut für meine Kinder“, sagt eine gar nicht konservative Mutter.

 

Diese Gemengelage erklärt auch den seit Monaten andauernden Streit zwischen drei Forschungsinstituten und der noch amtierenden Familienministerin Kristina Schröder. Es geht um eine schon von ihrer Vorgängerin beauftragte Gesamtbeurteilung aller familienpolitischen Leistungen. Immerhin gibt der Staat jährlich rund 200 Milliarden Euro für die Unterstützung von Ehe und Familie aus. Im Frühsommer legten das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, das Ifo-Institut und das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung ihre Ergebnisse vor.

 

Die Forscher haben als Kern von Reformen fünf Empfehlungen erarbeitet. Den wichtigsten Beitrag zu einer modernen Familienpolitik leistet danach der weitere Ausbau der Betreuungseinrichtungen. „Es handelt sich um die einzige Maßnahme, die sich substanziell positiv auf alle Ziele auswirkt“, heißt es im Gutachten. Denn Kitaplätze verbessern das Miteinander von Beruf und Familie, stabilisieren damit auch das Einkommen der Paare mit Kindern. Eine gute Betreuung verhelfe den Kindern außerdem zu einer guten frühkindlichen Bildung. Damit steigen ihre späteren Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

 

Der zweite Vorschlag zielt in eine ähnliche Richtung. Die Institute sprechen sich für mehr Angebote an Ganztagsschulen aus, damit auch die älteren Kinder untergebracht werden können, wenn beide Eltern einen Job haben. Auswertungen der Forscher zeigen, dass Mütter in diesem Fall vier Stunden länger pro Woche arbeiten und damit durchschnittlich netto 145 Euro mehr zum Familienbudget beitragen.

 

Von einem höheren Kindergeld halten die Institute nichts. Denn dies nütze in erster Linie reicheren Familien. Mit jährlich 38 Milliarden Euro ist das Kindergeld einer der beiden größten Brocken der Familienförderung. Bei armen Familien, die trotz dieser staatlichen Zahlungen auf das Arbeitslosengeld II angewiesen sind, trägt das Kindergeld überhaupt nicht zu einer stabilen Kassenlage bei. Die Forscher sehen zwar auch einen Nutzen für die Familien. Doch im Verhältnis zum Aufwand schätzen sie die positiven Effekte gering ein.

 

Das Ehegattensplitting als zweiter Riesenposten der Familienförderung kommt bei den Experten auch nicht gut weg. Es nütze vornehmlich reicheren Haushalten und setze Anreize, dass ein Partner dem Erwerbsleben fern bleibt. Das sind meist die Frauen, die dann nach der Erziehungszeit geringere Karrierechancen haben und langfristig nicht genügend Altersvorsorgeansprüche aufbauen können. Deshalb fordern die Institute eine Reform des Splittings (siehe Interview).

 

Das 2007 eingeführte Elterngeld bekommt dagegen gute Noten. Es sollte nach Ansicht der Fachleute ausgebaut werden. Da sich die beruflichen Auszeiten der Mütter verkürzen, bleiben ihre Karrierechancen erhalten. Damit leistet die Förderung einen Beitrag zur wirtschaftlichen Stabilität der Familien. Mit dem Ausbau der Vätermonate könnee der positive Effekt noch weiter gesteigert werden, heißt es im Gutachten.

 

Bei der Familienministerin kamen die Vorschläge nicht gut an. Schließlich warb die Union mit dem Versprechen auf eine Kindergelderhöhung um Stimmen. Auch das Ehegattensplitting wollen CDU und CSU nicht antasten. So interpretierte Schröder zusammen mit Finanzminister Wolfgang Schäuble die Ergebnisse kurzerhand um. Insgesamt sei die Förderung erfolgreich, sagte sie und lobte überschwänglich das von den Instituten kritisierte Kindergeld. Die oft fehlenden Arbeitsanreize wischte mit einer veränderten Zielvorgabe vom Tisch. Danach steht die Wahlfreiheit als Ziel vor einer höheren Erwerbstätigkeit der Mütter. Die Gutachter waren entsetzt.

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