Haben Klima und Dürre den Krieg in Syrien ausgelöst?

Wissenschaftler debattieren über die Ursachen des Konflikts – und damit auch der Fluchtbewegung nach Deutschland

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Von Hannes Koch

11. Feb. 2016 –

Angesichts der hohen Zahl der Flüchtlinge steht die Frage nach den Ursachen auf der Tagesordnung. Auf den ersten Blick scheint die Antwort nahe zu liegen: In Syrien ist Machthaber Baschar al Assad mit seiner brutalen Politik schuld. Aber so einfach ist es möglicherweise nicht. Wissenschaftler debattieren über die Frage, welche Rolle Klimawandel und Trockenheit für den Konflikt in Syrien spielen.

 

Colin Kelley von der Universität von Kalifornien vertritt die These, die menschengemachte Klimaveränderung habe zur außergewöhnlichen Trockenheit in Syrien zwischen 2007 und 2010 beigetragen. Über eine Million Menschen zogen damals aus dem Norden des Landes in die Umgebung südsyrischer Städte wie Homs und Dara. Dort begannen 2011 die Demonstrationen gegen die Regierung. Die US-Wissenschaftler argumentieren deshalb, die Aufheizung der Erdatmosphäre habe den Konflikt in Syrien verschärft.

 

Zweifel an dieser Ursache-Wirkung-Kette äußert nun Christiane Fröhlich, die als Vertretungsprofessorin für Sicherheitspolitik an der Bundeswehr-Hochschule in Hamburg arbeitet. 2014 und 2015 befragte sie syrische Bauern und Landarbeiter in jordanischen Flüchtlingslagern. Ihr Ergebnis: „Die vielfach propagierte einfache Kausalität zwischen Dürre, Migration und Konfliktausbruch lässt sich so nicht halten.“

 

Die Wissenschaftlerin äußerte sich bei einer Pressekonferenz des Deutschen Klima-Konsortiums, einem Zusammenschluss entsprechender Forschungsinstitute, im Vorfeld der Münchner Sicherheitskonferenz, die am Freitag beginnt.

 

Bei ihren Interviews hat Fröhlich erfahren, dass es nicht die Migranten aus dem Norden waren, die schließlich gegen die Assad-Regierung demonstrierten, sondern die alteingessene städtische Bevölkerung in Homs, Dara, Damaskus oder Aleppo. Diese hätte die innersyrische Wanderungsbewegung eher als weiteren Beweis dafür verstanden, dass die Assad-Regierung nicht mehr an einem sozialen Konsens mit den Bürgern interessiert gewesen sei, so Fröhlich. Eine ursächliche Verbindung von Klima, Dürre und Krieg ist in dieser Interpreation nicht nachzuweisen.

 

Auch Metereologe Paul Becker warnte vor schlichten Thesen. Denn nicht einmal der Einfluss von Klimaveränderungen für vermehrt auftretende Trockenheiten in bestimmten Regionen sei statistisch nachweisbar, erklärte der Vizepräsident des Deutschen Wetterdienstes. Das Weltklimasystem sei so kompliziert, dass man solche Zusammenhänge nicht eindeutig belegen könne. Vermutungen in diese Richtung haben allerdings eine gewisse Plausibilität. Denn einerseits steigt die Durchschnittstemperatur auf der Erde, andererseits sind Trockenheiten in den vergangenen 60 Jahren häufiger aufgetreten. Das lasse sich in Afrika, Brasilien, dem Mittelmeerraum, in Indonesien und den pazifischen Küsten Amerikas beobachten, so Becker.

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