Hagel, Hurrikan und Hochwasser kosten Milliarden

Munich Re: Klimawandel verstärkt Naturkatastrophen. Totalverluste vor allem in Schwellenländern

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Von Björn Hartmann

11. Jan. 2023 –

Verheerende Stürme, schwere Regenfälle, Rekordhitze, Eiseskälte – Extremwetter zerstörte 2022 weltweit Häuser, Fabriken, Felder, machte riesige Landflächen unbewohnbar. So dramatisch die Bilder vor allem aus Pakistan und den USA waren – die Gesamtschäden durch Naturkatastrophen sind im vergangenen Jahr deutlich gesunken, wie die Munich Re, einer der größten Rückversicherer der Welt, schätzt. Sorge bereitet den Experten, dass vor allem Unwetter immer extremer werden. Und sie treffen alle Weltregionen.

„Der Klimawandel fordert zunehmend Tribut“, sagte Thomas Blunck, Mitglied des Vorstands der Munich Re. Die Naturkatastrophenbilanz sei dominiert von Ereignissen, die nach dem Stand der Forschung stärker oder häufiger würden – oder beides zugleich. Besonders wichtig für das Weltwetter ist der Pazifik, genauer die Region, die El Niño oder La Niña hervorbringt. Herrschen El-Niño-Bedingungen, entstehen weniger Hurrikane, La Niña begünstigt sie.

2022 war das dritte La-Niña-Jahr in Folge. „Das erhöht die Wahrscheinlichkeit für Hurrikane in Nordamerika, für Hochwasser in Australien, Hitze und Trockenheit in China oder stärkere Monsun-Niederschläge in Teilen Südasiens“, sagte Ernst Rauch, Chefklimatologe der Munich Re. „Gleichzeitig verstärkt der Klimawandel in der Tendenz Wetterextreme.“

Insgesamt ermittelte der Rückversicherer Schäden von rund 270 Milliarden Dollar (252 Milliarden Euro), gut 50 Milliarden Dollar weniger als im sehr teuren 2021. Das vergangene Jahr liegt damit genau im Mittel der Jahre 2017 bis 2021. Die Zahlen sind unter anderem geschätzt, weil nicht alle Fabriken, Häuser, Äcker gegen Brände, Erdbeben, Überschwemmungen oder Stürme versichert sind.

Vor allem in ärmeren Regionen der Welt wie Afrika oder Südostasien verlieren Menschen bei extremen Wetterereignissen alles. Rauch forderte bessere Prävention und Frühwarnsysteme. Der auf dem Weltklimagipfel in Ägypten vereinbarte „Loss and damage“-Fonds müsse als handlungsfähiges Instrument umgesetzt werden. Bisher gab es nur eine Absichtserklärung der Industrienationen, in den Fonds einzuzahlen. Insgesamt waren 2022 Schäden im Wert von 120 Milliarden Dollar versichert, so viel wie 2021 auch.

Besonders verheerend war Hurrikan Ian, der Ende September und Anfang Oktober mit annähernd Tempo 250 über Kuba und den Südosten der USA fegte. Er allein steht für 100 Milliarden Dollar Schäden, versichert waren davon gut 60 Milliarden Dollar. Inflationsbereinigt ist das der zweitteuerste Sturm nach Karina im Jahr 2005, die unter anderem Teile von New Orleans zerstörte. 150 Menschen starben.

Auf Rang zwei der Schadenstatistik folgen die Monsun-Regen, die von Juni bis Oktober Pakistan überschwemmt haben. Es fiel sieben bis acht Mal so viel Regen wie üblich. Zusätzlich schmolzen die Gletscher im Hochgebirge wegen hoher Temperaturen schneller. 33 Millionen der mehr als 221 Millionen Einwohner waren betroffen, mehr als 1740 Menschen starben. 1,7 Millionen Häuser wurden zerstört, Felder, Straßen, Brücken, Schulen. Es war die größte humanitäre Katastrophe des vergangenen Jahres, die durch Naturereignisse ausgelöst wurde. Die Munich Re schätzt die Schäden auf 15 Milliarden Dollar, versichert war kaum etwas. Der Schaden entspricht mehr als vier Prozent der Wirtschaftsleistung. Die Folgen der Überschwemmungen für die Wirtschaft des Landes sind noch nicht abzusehen.

Ein Erdbeben in Japan Mitte März steht auf Rang drei der größten Naturkatastrophen. Die Schäden insgesamt beliefen sich demnach auf 8,8 Milliarden Dollar, versichert waren 2,8 Milliarden Dollar. Auch Überschwemmungen in Australien und China zerstörten Milliardenwerte.

Europa traf es ebenfalls. Die Schäden der Winterstürme im Februar 2022, die auch Deutschland betrafen, beziffern die Experten mit 5,6 Milliarden Dollar. Die schweren Sommerstürme in Frankreich kosteten 3,3 Milliarden Dollar. Und regional begrenzte Hagelfälle kosteten weitere 7,7 Milliarden Dollar. Die Körner waren teilweise so groß wie Tennisbälle. Der GDV, Dachverband der Versicherungswirtschaft in Deutschland, hatte das vergangene Jahr kürzlich als durchschnittliches Naturgefahrenjahr eingestuft. Die Versicherer sprachen von versicherten Schäden im Wert von 4,3 Milliarden Euro durch Sturm, Hagel und Starkregen.

Nicht in der Statistik erscheinen Hitze und Dürre, die wenig direkt zerstörten, deren indirekte wirtschaftliche Folgen sich aber kaum beziffern lassen, wie es bei der Munich Re heißt. So musste in Deutschland die wichtige Schifffahrt auf dem Rhein im Sommer zeitweise eingestellt werden. Der Fluss führte extrem wenig Wasser. Industrie und Kraftwerke sorgten sich um Material- und Brennstoff-Nachschub. Ähnlich sah es am Po in Norditalien aus. Und manch französischer Fluss führte so wenig Wasser, dass die Atomkraftwerke Schwierigkeiten mit der Kühlung bekamen. Frankreich setzt zu mehr als 70 Prozent auf Atomstrom.

Munich Re ist einer der größten Rückversicherer der Welt. Er versichert praktisch die Versicherer. Zum Konzern gehören auch die Ergo-Versicherung und der Vermögensmanager Meag. Der Konzern wurde 1880 gegründet und bot schon beim großen Erdbeben in San Francisco 1906 finanziellen Schutz.

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