Halber Klimaschutz
Kommentar von Hannes Koch
02. Dez. 2008 –
SPD-Umweltminister Sigmar Gabriel ist ein Freund des lockeren Spruchs. Für das Weltklima mache es keinen großen Unterschied, ob die Abgas-Grenzwerte für Autos ein paar Jahre früher oder später sänken, sagte er gestern. Mit dieser gefährlichen Gelassenheit rechtfertigte Gabriel einen ebenso gefährlichen Kompromiss der EU.
Bis 2015 sollen die in Europa zugelassenen Fahrzeuge umwelt- und klimafreundlicher werden. Der Ausstoß klimaschädlichen Kohlendioxids soll schrittweise sinken. Das ist gut. Und doch ist der Fortschritt eine Schnecke. Der rennomierte Klimaforscher Mojib Latif ist entsprechend perplex: ein „fatales Signal“ sieht Latif in dem Brüsseler Beschluss.
Denn selten hat die Wirtschaft so ungeschminkt und erfolgreich Einfluss auf eine politische Entscheidung genommen wie im Fall der Abgas-Grenzwerte. Ein Jahr lang bearbeitete Chef-Auto-Lobbyist Matthias Wissmann seine Partei, die CDU - und Gabriel gleich mit. Wissmann kann sich zu seinem Erfolg gratulieren.
Nicht nur im Sinne des Großen Ganzen, des globalen Klimaschutzes, erscheint der Brüsseler Kompromiss zweifelhaft. Er liegt auch nicht im aufgeklärten Eigeninteresse der Beschäftigten der deutschen Autokonzerne. Schon jetzt arbeiten Volkswagen, Audi, Daimler und BMW bei ökologischen Innovationen langsamer als etwa Toyota. Während die japanischen Hybrid-Fahrzeuge auf den Straßen fahren, kündigen die Deutschen an, dass es bald soweit sein werde. Der Brüsseler Beschluss sorgt dafür, dass dieser Rückstand erhalten bleibt. Indem sie der deutschen Autolobby nachgibt, verpasst die EU die Chance, ausreichenden Druck für ökologische Innovationen zu entfalten. Langfristig gefährdet diese Politik Arbeitsplätze.
Mit seinen lockeren Sprüchen täuscht Gabriel über diesen Mangel hinweg. Gerade einem sozialdemokratischen Minister sollte das nicht passieren. Er müsste Umwelt und Arbeitsplätze gleichermaßen im Blick haben.