Helfer beim Schlussmachen

Handy, Bahncard, Single-Börse: Kündigungsdienste helfen aus unliebsamen Verträgen herauszukommen. Doch mit dem Auftrag gehen auch jede Menge Daten an die Anbieter.

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Von Wolfgang Mulke

31. Jul. 2015 –

Das Angebot klang zu verlockend: Niedrige Telefongebühren, dazu das neueste Smartphone zum Sonderpreis und jede Menge Musik- und Spiele-Apps gratis. Mit wenigen Klicks war der neue Vertrag online abgeschlossen. Doch die alte Vereinbarung mit dem Handy-Anbieter trübte die Freude über die neue Technik. Die Firma wollte die gute Kundschaft nicht so einfach aus dem aktuellen Vertrag entlassen und forderte Monat für Monat Gebühren ein.

 

Aus dem Ärger für den Verbraucher haben Kündigungsdienste ein Geschäftsmodell gemacht. Oft sind die Vorgaben, wie Kunden kündigen können im Kleingedruckten versteckt. „Die Unternehmen wollen oft gar nicht, dass man die Hinweise findet“, sagt Daniel Pöhler, Kommunikationsexperte beim Verbraucherportal finanztip.de. Vor allem, wenn das Angebot nicht zwangsläufig Erfolg verspricht. Wen die Single-Börse eher frustriert als zufriedenstellt, der will den Vertrag möglichst schnell wieder loswerden. Ähnlich sieht es bei Handy-Verträgen, bei Angeboten für den Internet- oder Stromanschluss oder zum Bezahl-Fernsehen aus. Wie das geht, lässt viele Kunden verzweifeln.

 

Die digitalen Kündigungshelfer durchforsten die abgeschlossenen Verträge nach Fristen und Modalitäten. Für den Kunden setzen sie juristisch wasserdichte Anschreiben auf. Je nach Auftrag versenden sie Faxe oder Einschreiben an die Firmen, um die Verträge aufzulösen.

 

„Aboalarm“ gehört zu den Pionieren unter den Diensten. Firmenangaben zufolge wurden seit 2009 rund 2,5 Millionen Kündigungen abgewickelt. „Je schlechter ein Produkt ist, desto schwerer machen es einem die Anbieter zu kündigen“, sagt Bernd Storm, Geschäftsführer und Gründer von „Aboalarm“. Bei manchen Angeboten muss im Ausland gekündigt werden, bei anderen gelten lange Fristen, um aus dem Vertrag herauszukommen.

 

Storms Ehefrau brachte ihn 2008 auf die Idee für „Aboalarm“. Als sie ihre Bahncard loswerden will und beinahe die Frist verpasst, wird klar, dass sich eine Marktlücke auftut. Am Anfang hat Storm selbst die Anbieter von Handys, Strom oder Zeitungsabos angerufen, um herauszufinden, wie der Kunde kündigt. Heute hat sein Dienst über 16.000 Anbieter in der Datenbank. „Die Leute haben keine Lust in ihrer Freizeit sich mit Vertragskündigungen herumzuschlagen“, sagt Storm. Seit Kurzem gibt es seinen Dienst auch per App.

 

Bei „Aboalarm“ steigen Nutzer mit 0,99 Cent für eine Kündigung ein. Gratis per Fax macht es etwa vertragslotse.de. Bei kündigen.de liegt der Preis für eine verschickte Kündigung bei 1,99 Euro. Für ein Fax oder einen Brief per Einschreiben werden bis zu fünf Euro verlangt. Ein gerechtfertigter Preis? „Wenn die Kündigung sicher klappt und der Handy-Vertrag oder das Bahncard-Abo beendet werden, spart mir das unter Umständen mehrere Hundert Euro“, sagt Pöhler. „Außerdem wollen die Kündigungsdienste auch Geld verdienen.“

 

Allerdings lässt sich nicht ausschließen, dass mit den Daten der Dienste-Nutzer auch Geschäfte gemacht werden. „Nutzer müssen sich im Klaren darüber sein, dass sie relativ viel Persönliches Preis geben“, sagt Jürgen Widder, Rechtsanwalt aus Bochum. Ein seriöser Anbieter sollte klare Hinweise dazu im Kleingedruckten haben – vor allem, wenn Daten zu Werbezwecken weiter vermittelt werden. Zudem rät Widder dazu, genau zu prüfen, ob beim Kündigungsdienst auch Regressansprüche geltend gemacht werden können. „Wenn es mit der Kündigung nicht klappt, sollte der Verbraucher nicht den Schaden tragen“, sagt der Fachanwalt. „Wenn der Anbieter versucht den Schadensanspruch über die Geschäftsbedingungen auszuschließen, wäre das äußerst kritisch.“

 

Landet dann doch unerwartet Werbung in Email-Fach oder Briefkasten, bleibt dem Verbraucher nichts anderes übrig als doch selbst aktiv zu werden. „Wenn man auf einen Anbieter hereingefallen ist, dann kann man den Verkauf der Daten natürlich nicht zurücknehmen“, sagt Pöhler. „Dann muss man die Firmen anschreiben und einfordern, dass keine Werbung mehr geschickt wird.“

 

Die Hitliste der Kündigungsrenner führen die Handy-Anbieter an. „Teilweise werden die Kunden richtig gegängelt“, sagt „Aboalarm“-Chef Storm. Ist einmal die Frist verpasst, kommt das die Kundschaft teuer zu stehen. Doch seinen Kunden geht es nicht nur um das Ende der Verträge. Viele wollen ihre Konditionen schlichtweg nachverhandeln. Zum Beispiel bei Angeboten zum Bezahl-Fernsehen.

 

Geschäftsführer Storm versichert, dass sein Unternehmen keine Daten an Dritte weitergibt. Allerdings ganz ohne Daten zu speichern, geht es auch bei „Aboalarm“ nicht. Wird nur ein Kündigungsschreiben erstellt, werden die Daten sofort anonymisiert. Das heißt in der Statistik taucht zwar auf, dass ein Handy-Vertrag gekündigt wurde, Name, Anschrift und persönliche Daten werden nicht gespeichert. Bei der Kündigung per Fax speichert die Datenbank die Übersendung. Ohne Nachweis entlassen die Anbieter ihre Kundschaft dann doch nicht aus dem Vertrag.

 

 

 

Info-Kasten: Kündigungsdienste im Test

 

Das Portal www.finanztip.de hat acht Dienste nach Angebot und Kosten verglichen. Auch der Datenschutz und Sonderklauseln in den Geschäftsbedingungen sind Teil des Tests. Kunden, die Ärger mit unerwünschter Werbung haben, bekommen bei den Verbraucherzentralen Hilfe: 0211/3809-170. Gibt es Probleme beim Kündigen, vermittelt der Deutsche Anwaltsverein Spezialisten: 030/ 72 61 52-0

 

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