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Höhere Höhen und tiefere Tiefen

Die Weltwirtschaft hängt so eng zusammen, dass nationales Denken für schwere Einbrüche sorgen könnte. Die Konjunkturzyklen gleichen sich global an.

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Von Wolfgang Mulke

04. Apr. 2017 –

 

Laien wundern sich schon seit geraumer Zeit. Die Börsenkurse eilen trotz Brexit und einem noch nicht ganz erfassbaren Nationalisierungskurs der USA von Rekord zu Rekord. Die Weltwirtschaft floriert zum Erstaunen vieler Experten. Neu ist dabei, dass diese Entwicklung global ähnlich abläuft. Die meisten Länder entwickeln sich noch als Folge der Finanzkrise im Gleichklang. „Der Konjunkturzyklus ist seit der Krise gleichlaufend“, stellt der Chef des Hamburgischen Weltwirtschaftsarchivs (HWWI), Henning Vöpel, fest. Allerdings setzte der Aufschwung in einigen Ländern später ein oder verlief schächer.

Nach Angaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) tragen vor allem die Entwicklungs- und Schwellenländer den Aufschwung. Um 4,5 Prozent wird deren Wirtschaftsleistung in diesem Jahr zunehmen. China wächst sogar um 6,5 Prozent und hat den befürchteten Einbruch der Konjunktur offenkundig abwenden können. Die Wirtschaft beim Exportweltmeister Deutschland brummt schon lange. Und auch in den USA gehen die IWF-Fachleute von einem kräftigen Wachstum von 2,3 Prozent aus. Ökonomisch gesehen scheint die Welt ein glänzendes Jahr zu erleben.

Der Gleichlauf birgt nach Einschätzung Vöpels allerdings auch gehörige Risiken. „Die Effekte im Aufschwung und im Abschwung können sich wechselseitig verstärken“, warnt der HWWI-Chef. Die Renaissance des Nationalismus sieht der Forscher dabei als schwer einschätzbares Risiko. Die Abschottung einzelner Staaten könne danach zu Zerstückelung der Weltwirtschaft führen, wo heute noch global zusammengearbeitet wird.

Eigentlich müssten die Staaten eine gemeinsame Konjunkturpolitik anstreben, doch sei das Gegenteil der Fall, warnt Vöpel. Angesichts der vielen Umbrüche, von der Handelspolitik bis hin zum technologischen Wandel sieht der Forscher viele Unsicherheiten, die eine Gefahr von Herdenverhalten in sich tragen. „Minimale Bewegungen können panikartige Reaktionen auslösen, die sich weltweit schnell übertragen“, sagt er.

Schon die von US-Präsident Donald Trump angedrohten Schutzzölle könnten viel Sand ins Getriebe der Weltwirtschaft streuen, wie Peter Hohlfeld vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) erklärt. Dies habe zum Beispiel unmittelbar Folgen für Deutschland als Exporteur, indirekt auch auf die Länder, die den hiesigen Produzenten die Vorprodukte liefern. Die Abwärtsspirale kommt so schnell weltweit in Gang.

Hohlfeld sieht in staatlichen Eingriffen ein Mittel gegen den denkbaren Abschwung der Weltwirtschaft. Als Beleg führt er die unterschiedlichen Reaktionen nach der Finanzkrise an. So habe die amerikanische Notenbank Fed mit einer schnellen und starken Lockerung der Geldpolitik frühzeitig auf den damaligen Absturz reagiert, während die Europäische Zentralbank dies zögerlich nachholte. Als Ergebnis sei die US-Wirtschaft schneller wieder auf die Beine gekommen als die europäische. Wenn die private Wirtschaft nicht investieren wolle, müsse der Staat mit Investitionen in die Infrastruktur die Konjunktur ankurbeln.

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