Höhere Inflationsrate stellt die Nullzinspolitik in Frage

Die Teuerungsrate hat den Zielwert von zwei Prozent erreicht. Ändert die Europäische Zentralbank nun ihren Kurs? Die wichtigsten Fragen und Antworten dazu.

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Von Wolfgang Mulke

06. Mär. 2017 –

 

Ist die Inflation jetzt dauerhaft zurück?

Die Sorge, dass alle Waren und Dienstleistungen nun schnell viel teurer werden, ist unbegründet. Zwar ist die Inflationsrate im Februar auf über zwei Prozent in die Höhe geschnellt, doch geht diese Entwicklung vor allem auf Kosten für Energie und Lebensmittel zurück. Da der Ölpreis vor einem Jahr besonders niedrig war, wirkt sich dessen Normalisierung statistisch besonders stark aus. Auch bei den Lebensmitteln gibt es Sondereffekte, die zum Beispiel aus einer schlechten Ernte in Südeuropa resultieren. Dadurch sind die Preise für Gemüse durch die Decke geschossen. Diese Effekte entfallen im Jahresverlauf. Dann wird auch die Inflationsrate wieder etwas sinken. Eine Teuerung von zwei Prozent ist außerdem das gewünschte Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB).

 

Warum sind trotzdem viele Experten besorgt?

Normalerweise steigen die Zinsen, wenn die Preise anziehen. Doch die EZB hält noch immer an einer Nullzinspolitik fest und überschwemmt die Finanzmärkte mit billigem Geld. Das tut sie, weil die Konjunktur in anderen Euro-Ländern noch nicht wie gewünscht läuft. Sie muss ja die Interessen des gesamten Währungsblocks im Auge behalten. Daraus resultieren Risiken, auch für die Teuerung in Deutschland. Bei den Immobilienmärkten hat sich mancherorts bereits eine Preisblase gebildet. Die Immobilienpreise und Mieten steigen teilweise massiv an. Die deutsche Wirtschaft brummt. Das erleichtert es den Unternehmen, ihre Preise anzuheben. Diese Risiken könnten mittelfristig für einen weiteren Teuerungsschub sorgen.

 

Inwiefern betrifft diese Entwicklung Sparer und Verbraucher?

Das sind die großen Verlierer dieser Entwicklung. Da es für die normalen Sparguthaben praktisch keine Zinsen mehr gibt, verliert das Vermögen der Sparer an Kaufkraft, wenn die Preise steigen. Die Verbraucher wiederum müssen mehr für ihren Lebensunterhalt ausgeben. Das wäre kein Problem, wenn die Löhne wenigstens in gleichem Maße steigen würden. Doch die Arbeitgeber gegen schon zu erkennen, dass sich die Lohnabschlüsse an der Produktivitätssteigerung orientieren sollen und nicht an der Preissteigerung. Liegen die Tarifabschlüsse unterhalb der Teuerungsrate, können sich die Arbeitnehmer unter dem Strich weniger leisten.

 

Gibt es Strategien gegen den Wertverlust des eigenen Vermögens?

Es ist kaum möglich, Geld risikofrei und dennoch gut verzinst anzulegen. Lediglich Aktien verzeichnen derzeit kräftige Kurssteigerungen. Verbraucherschützer raten hier zum Kauf so genannter Exchange Traded Funds (ETF), deren Risiko überschaubar ist, weil diese Papiere die Entwicklung vieler Aktien abbilden und kostengünstig sind. Doch das Risiko erheblicher Abwärtskorrekturen an den Börsen ist beträchtlich, gerade weil die Kurse so stark angestiegen sind und es Ungewissheiten wie die künftige Wirtschaftspolitik der USA gibt.

 

Warum bleiben die Zinsen trotzdem niedrig?

Die EZB hält weiterhin an ihrem Kurs fest, den Leitzins niedrig zu halten und Anleihen aus den Euro-Ländern zu kaufen. Damit will sie die Inflation in der gesamten Eurozone wieder in Richtung des Zielwertes von zwei Prozent bringen. Die Preise ziehen zwar im gesamten Euroraum derzeit in dieser Größenordnung an. Rechnet man jedoch die schwankungsanfälligen Preise heraus, liegt die so genannte Kerninflation noch knapp unter einem Prozent. Wie lange die Währungshüter an ihrer Strategie festhalten, ist noch offen. Hinweise darauf könnte die nächste Sitzung des Zentralbankrates am kommenden Donnerstag geben. In einer Pressekonferenz im Anschluss an die Sitzung wird EZB-Chef Mario Draghi seinen Kurs dann erläutern.

 

Ist eine Normalisierung der Entwicklung von Preisen und Zinsen absehbar?

Die Meinungen über die Geldpolitik der EZB gehen weit auseinander. Politiker haben dabei formal nichts zu sagen. Denn die Zentralbank ist ein unabhängiges Gremium und darf daher auch unpopuläre Entscheidungen treffen. Druck gibt es von den Befürwortern und Gegnern der Niedrigzinspolitik. In Deutschland mehren sich die Stimmen, die einen allmählichen Ausstieg aus den Nullzinspolitik fordern. Das Institut der Deutschen Wirtschaft verlangt ähnlich wie das Münchner Ifo-Institut einen Kurswechsel. Auch Bayerns Finanzminister Markus Söder verlangt von der EZB eine Wende. Im Nachbarland Frankreich ist der Niedrigzins hingegen willkommen, auch weil der Staat für neue Schulden nur geringe Zinsen bezahlen muss. Eine abrupte Abkehr von der bisherigen Strategie ist daher unwahrscheinlich. Wenn die EZB dies beschließt, wird die Veränderung in kleinen Schritten stattfinden. Bis zu einer Normalisierung wird also noch viel Zeit ins Land gehen.

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