Höhere Steuereinnahmen, kleines Geschenk

Steuerschätzung: Wohin mit der zusätzlichen Staatskohle - Steuersenkung?

Teilen!

Von Hannes Koch

07. Mai. 2014 –

Weil die Wirtschaft so gut läuft, können die Finanzminister und Stadtkämmerer in den kommenden Jahren abermals mit zusätzlichen Steuereinnahmen rechnen. Im Durchschnitt der Jahre bis 2018 fließen wohl jährlich bis zu acht Milliarden mehr als bisher eingeplant in die Kassen von Bund, Ländern und Gemeinden. Die heiß diskutierte Frage lautet nun: Was tun mit dem Geld - Steuern senken, um die sogenannte kalte Progression auszugleichen? Unsere Zeitung beantwortet die wichtigsten Fragen.

 

Zu welchem Ergebnis kommen die Steuerschätzer?

Genau weiß man das erst am Donnerstag, wenn der Arbeitskreis Steuerschätzung, ein Expertengremium von Bund, Ländern und Forschungsinstituten, seine neue Prognose veröffentlicht. Im Vergleich zur Steuerschätzung vom vergangenen November wird aber vermutlich ein kräftiges Plus unter dem Strich stehen: 2014 gut zwei Milliarden Euro, in den kommenden drei Jahren etwa sieben, acht und neun Milliarden mehr. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble vereinnahmt davon knapp die Hälfte.

 

Ist das zusätzliche Geld bereits verplant?

Nein. Der Haushaltsplan der großen Koalition sieht vor, dass Schäuble ab 2015 auch ohne zusätzliche Einnahmen keine neuen Schulden mehr aufnimmt. Kommt nichts dazwischen, haben Union und SPD damit ihr wichtigstes Ziel erreicht – die Gesamtverschuldung des Staates im Verhältnis zur wachsenden Wirtschaftsleistung sinkt, die öffentlichen Finanzen werden allmählich saniert.

 

Was tun mit den Mehreinnahmen?

Meistens genannt werden drei Möglichkeiten. Erstens: alte Staatsschulden schneller abbauen. Laut der ARD-Umfrage Deutschlandtrend finden das 43 Prozent der befragten Bundesbürger richtig. Zweitens: mehr investieren. Das rät unter anderem das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), weil die öffentliche Infrastruktur sonst verschleisse. Drittens: eine Steuersenkung, um die kalte Progression auszugleichen. Dies befürwortete in den vergangenen Jahren vor allem die Union.

 

Was ist kalte Progression?

Eine automatische Steuererhöhung, die die nachteilige Wirkung der Inflation nicht berücksichtigt. Ein Beispiel: Steigt der Lohn um zwei Prozent, wächst die Steuerbelastung leicht. Denn wer wohlhabender ist, soll auch mehr zur Finanzierung der öffentlichen Aufgaben beitragen. Nun zehrt aber die übliche Preissteigerung einen Teil des Lohnzuwachses wieder auf. Die Bürger zahlen also etwas mehr Steuer, obwohl ihre Kaufkraft nicht gleichem Maße gestiegen ist.

 

Wie wirkt die Progression für die Steuerzahler?

Ein kinderloser Single mit 30.000 Euro zu versteuerndem Einkommen büßt dieses Jahr im Vergleich zu 2013 zwei Euro durch die kalte Progression ein. Ausgerechnet hat das der Ökonom Frank Hechtner von der Freien Universität Berlin. Wer 60.000 Euro verdient, verliert 55 Euro. Verglichen mit 2010 ist der Effekt jedoch größer. Bei 30.000 Euro gehen 412 Euro verloren – knapp 35 Euro monatlich. Bei 60.000 Euro sind es 1.321 Euro, rund 110 Euro pro Monat.

 

Wieviel Geld braucht man für eine Steuersenkung?

Um die heimliche Steuererhöhung auszugleichen, müsste man den Steuertarif regelmäßig um die Inflationsrate bereinigen. Das würde Bund, Länder und Gemeinden rund 2,5 Milliarden Euro im ersten Jahr kosten, fünf Milliarden im zweiten, 7,5 Milliarden im dritten und so weiter. Die jetzt prognostizierten Zusatzeinnahmen würden dafür ausreichen.

 

Was will die Regierung?

Sie weiß es nicht. CDU-Generalsekretär Peter Tauber und CDU-Haushaltsexperte Norbert Barthle sagen, dass der ausgeglichene Bundeshaushalt ohne neue Schulden im Vordergrund stünde. Dieses Ziel wollen sie in jedem Fall einhalten und nicht durch voreilige Zusagen gefährden. SPD-Vizekanzler Sigmar Gabriel und sein Fraktionschef Thomas Oppermann meinen dagegen, eine kleine Steuersenkung lasse sich aus den unerwarteten Überschüssen finanzieren. Und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) denkt offenbar darüber nach, den Effekt der kalten Progression einmalig auszusetzen – 2016, ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl.

« Zurück | Nachrichten »